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30.04.2015
Altenhilfe

Eine Lebensgeschichte, die bewegt

BIBERACH – Zwischen Gold-Medaillen und "sieben Monaten Hölle" in der Reha nach einem schweren Motorradunfall - Paralympics-Siegerin Kirsten Bruhn erzählte am 28. April 2015 in der voll besetzten Sinn-Welt im Jordanbad ihre Lebensgeschichte. Der Vortrag "Du kannst mehr als Du denkst" war Teil der Veranstaltungsreihe Sinn-Fragen der St. Elisabeth-Stiftung.

Kirsten Bruhns Leben hat zahlreiche Einschnitte – der Motorradunfall, der eine Querschnittslähmung zur Folge hatte, ist nur einer davon. Die 45-Jährige berichtet offen von diesen Einschnitten und wie sie mit ihnen umgegangen ist. Sie will Menschen damit Mut machen - so auch bei ihrem Vortrag im Rahmen der Sinn-Fragen in der Sinn-Welt im Jordanbad.

Da ist ihre wechselvolle Schulkarriere, die sie über den Hauptschulabschluss schließlich doch zur Realschule und zum Abitur führte. Da ist die Bulimie, in die sie sich selbst als Jugendliche aus Liebeskummer trieb. Da ist der Abbruch eines Au-Pair-Aufenthaltes in den USA, nachdem ihr Bruder in Deutschland schwer erkrankte. Und da ist jener Tag im Sommer 1991, als ein Motorradunfall den Urlaub auf der griechischen Insel Kos jäh beendete. Nach schier endlosem Warten und dem  schmerzhaften Rückflug lautete die trockene Diagnose eines deutschen Krankenhausarztes: „Das Laufen können Sie vergessen.“ Inkomplette Querschnittslähmung – ein Schock. "Sieben Monate Hölle" in der Reha in Hamburg schlossen sich an, das Grafikdesign-Studium war beendet, bevor es angefangen hatte.

Es ist ein schwerer Weg, aus einem solchen Tief herauszukommen – Kirsten Bruhn hat ihn gemeistert. Zunächst mit einer Ausbildung zur Sozialversicherungsfachangestellten, später als Sportlerin.

Seit ihrem zehnten Lebensjahr war Kirsten Bruhn Leistungsschwimmerin gewesen – bis sie mit ihrem Handicap an diese Karriere anknüpfen sollte, vergingen nach dem Unfall aber noch viele Jahre. Bei der Wassertherapie entdeckte sie, dass sie immer noch schwimmen konnte, ein "wachrüttelndes Erlebnis". Bruhn schwamm zunächst um sich zu mobilisieren. Schließlich animierte sie ein Physiotherapeut, bei Wettkämpfen mitzumachen. Nach anfänglicher Skepsis meldete sie sich an, trainierte täglich zwei bis drei Stunden und erzielte zweieinhalb Monate später als 32-Jährige bereits gute Resultate bei den Deutschen Meisterschaften der Behinderten 2002 in Berlin.

Es folgte eine beeindruckende Karriere mit drei Paralympics-Siegen, sechs Weltmeisterschafts- und acht Europameisterschafts-Titeln. Seit 2012 ist sie als Botschafterin  für die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung und das Unfallkrankenhaus Berlin unterwegs, hält Vorträge in ganz Deutschland. 2013 war sie zusammen mit zwei weiteren Paralympics-Teilnehmern Protagonistin in dem Film "Gold ? Du kannst mehr als Du denkst", der bewegende Film war vor ihrem Vortrag im Biberacher Kino "Traumpalast" zu sehen.

Bruhn sprach in der Sinn-Welt zugleich eindringlich und unterhaltsam. Teilweise bebte ihre Stimme bei emotionalen Erinnerungen, teilweise brachte sie durch ihren trocken-norddeutschen Witz den Saal zum Lachen. Sie wirkte authentisch, offen und strahlte eine ungeheure Präsenz aus.

Nach ihrem Vortrag moderierte der stellvertretende Chefredakteur der Schwäbischen Zeitung Christoph Plate die Fragerunde der Zuhörer. Mit einer Sporttrainerin für Menschen mit Behinderung war sich Kirsten Bruhn darüber einig, dass es zu wenig Angebote im Breiten- und Schulsport für junge Menschen mit Behinderung gibt und der fehlende Trainernachwuchs bedenklich ist. Bruhn sprach auch über ihr tägliches Leben mit Behinderung und darüber, wie sehr ungeschicktes Mitleid von Mitmenschen schmerzen kann – und wie sie sich davon beim Schwimmen abreagiert. Generell will sie gleich behandelt werden wie jeder andere - vorauseilende Hilfe signalisiere nur: "Du wirkst auf mich hilfsbedürftig." Wichtig um mit Schicksalsschlägen wie ihrem umzugehen, seien ein leidenschaftliches Hobby und ein Fokus auf die Möglichkeiten, die man immer noch hat.

 

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