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22.07.2019
Schule St. Franziskus, Ingerkingen

Vom Kind aus gedacht und gebaut

INGERKINGEN – Steigende Schülerzahlen an der Schule St. Franziskus (SSF) der St. Elisabeth-Stiftung sorgen dafür, dass im kommenden Schuljahr erstmals 19 Klassen gebildet werden. Sieben Lerngruppen werden dabei in den Neubau ziehen, der am Freitag feierlich eingeweiht wurde. Das markante Holzgebäude beherbergt neben den Klassenräumen auch die Schulverwaltung, die Mensa sowie einen vergrößerten Therapiebereich.

Kilian Krug und Hans-Dieter Bosch segneten mit Unterstützung der Ministranten Kevin (sitzend) und Carlos nach fast zweijähriger Bauzeit die neuen Schulräume.

Alles hat gepasst: Der Einzug kann in den Sommerferien erfolgen und der Finanzrahmen von 7,6 Mio. Euro wurde eingehalten. Die Spendenaktion mit dem Spendenziel von 300.000 Euro befindet sich auf der Zielgeraden. Über 1.000 Menschen haben sich am Schulbau bereits finanziell beteiligt. Ein glückliches Ende – insbesondere für Rektor Bernhard Buck, der nach fast einem Vierteljahrhundert zum Schuljahreswechsel die Leitung der Schule an Konrektor Thomas Kehm übergibt.

Mit der Feierstunde am vergangenen Freitag ging eine Zeit langen Wartens zu Ende. Peter Wittmann als Vorstand der St. Elisabeth-Stiftung dankte dem Schulteam dafür, was trotz Platzmangel geleistet wurde. „Mit ihrem Spezialwissen und Spezialkönnen ist die Schule St. Franziskus der richtige Lernort für Kinder und Jugendliche mit ganz besonderen Bedürfnissen. Für manche Kinder ist dieser Ort eine große, vielleicht auch die letzte Chance.“
Dem vollständig anwesenden Stiftungsrat dankte Wittmann ebenfalls. Das Aufsichtsgremium hatte die große Investition trotz schlechter Zuschusslage freigegeben. 95 Prozent der Baukosten muss die Stiftung selbst aufbringen. Ist eine solche Erweiterung in Zeiten der Inklusion wirklich nötig? Die hohe Elternnachfrage liefert die Antwort.

Diese Wahlfreiheit von Eltern und Schülern zwischen Regelschule und sonderpädagogischer Einrichtung müsse gewahrt bleiben, schickte Dr. Joachim Schmidt (Direktor der „Stiftung Katholische Freie Schule“) seinem Impulsvortrag zum Status der Inklusion voraus. Alle Schularten müssten sich ändern, alle müssten neue Wege beschreiten. Für ein gemeinsames, praxistaugliches Inklusionsverständnis liefere die Sonderpädagogik bewährte Ansätze. „Wie Gott den Menschen anschaut und annimmt, so muss sich Unterricht vom Kind aus entwickeln“, erläutert der Theologe mit Pädagogik-Hintergrund. Er forderte, das wertfreie  „Hinschauen und Annehmen“ in der Kirche und auch in den Bekenntnisschulen „zum Top-Thema zu machen“.

Schulbaupaten aus Politik und Kultur
Die öffentliche Hand geizte mit Zuschüssen, doch ideell standen die lokalen Politiker uneingeschränkt hinter dem Bauvorhaben. Als Schulbaupaten engagierten sich die beiden Bundestagsabgeordneten Josef Rief (CDU) und Martin Gerster (SPD), die Landtagsabgeordneten Petra Krebs (Grüne) sowie das Ehepaar Adrian und Helga Kutter aus Biberach. Sie begleiteten die Bauphase und brachten den Schulbau immer wieder ins Gespräch. So fielen die Grußworte der Politiker besonders herzlich aus. Spendenpate Rief forderte, Inklusion „ideologiefrei“ zu diskutieren. Sein Kollege Gerster grenzte sich klar von den populistischen Strömungen ab, „die auf Ausgrenzung, ja auf Hass setzen.“ Euthanasiemorde bedeuteten eben mehr als einen „Vogelschiss “in der deutschen Geschichte“. Petra Krebs dankte ihrem Kollegen für diese deutlichen Worte. Sie fordert ebenfalls genügend Raum für Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft ein: „Wir brauchen besondere Räume für besondere Menschen“. In der multifunktionellen Mensa sieht sie ebenfalls viele Chancen der Inklusion. „Wenn sich die Schule so klar nach außen öffnet, macht das auch Teilhabe möglich“, so die Patin. Sie wünscht sich, dass die Schemmerhofener den Raum für Veranstaltungen nutzen.
Mario Glaser, der Bürgermeister der Gemeinde, betonte die gegenseitige Verbundenheit und versprach weiterhin die uneingeschränkte Unterstützung und Partnerschaft. Die Schule sei „ein weit über die Gemeinde ausstrahlendes Aushängeschild“.

Bauwerk mit besonderer Atmosphäre
Der quadratische, in Holzbauweise errichtete Teilneubau entstand unter der Regie des Ulmer Architekturbüros Braunger und Wörtz. Das Planungsteam widmete sich ganz den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen mit geistigen oder mehrfachen Behinderungen und schuf in enger Abstimmung mit Robert Stirner als Bauvertreter aus dem Kollegium eine ideale Lernumgebung. Die Räumlichkeiten sind lichtdurchflutet, klar und freundlich und vor allem großzügig zugeschnitten. „Dieses Gebäude kann uneingeschränkt gebraucht werden. Sie finden darin keine Ecke, die nicht für die Schüler funktioniert“, betonte Berthold Braunger bei der symbolischen Schlüsselübergabe in Form vieler kleiner Hefegebäckteile.

Bevor die beiden Pfarrer Kilian Krug und Hans-Dieter Bosch gemeinsam die Räumlichkeiten segneten, gab es noch eine echte Überraschung. Theo Rehm, der Vorsitzende des Schulfördervereins, übergab als Einweihungsgeschenk ein Klavier, das schon lange auf der Wunschliste stand und dem „Streichkonzert“ zum Opfer fiel. Musikpädagoge Arnfried Oehme, der schon mit der Schulband Beatkids für Schwung zwischen den Reden sorgte, schlug zusammen mit einer kleinen Combo einen flotten Ragtime in die Tasten und stimmte damit in den gemütlichen Ausklang der Feierstunde ein.


INFO:
Seit mehr als 100 Jahren werden in Ingerkingen behinderte Kinder schulisch gefördert, seit den 1970er-Jahren als Schule St. Franziskus. In die  Unterrichtszeit integriert werden therapeutische Angebote wie Physio-, Ergo-, Musik-, Schwimmtherapie, tiergestützte Therapien mit Hundebesuchsdienst und Heilpädagogischem Reiten, daneben erlebnispädagogische Angebote wie Klettern oder Waldpädagogik in der stiftungseigenen Waldhütte.

Viele Kinder haben neben geistigem Förderbedarf auch motorische Einschränkungen, 35 von ihnen sitzen im Rollstuhl. Viele sind laut Bernhard Buck kognitiv relativ fit, aber vielfach verhaltensauffällig. Gemeinsam mit vier weiteren Schulen hat sich die SSF an einem wissenschaftlich begleiteten Forschungsprojekt mit der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg und dem Regierungspräsidium Tübingen beteiligt. Dabei ist am Ende eine wertvolle Handreichung für die Lehrkräfte entstanden.

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