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15.03.2017
Heggbacher Werkstattverbund

„Ich kann doch noch die Kurve kriegen“

BIBERACH/LAUPHEIM - Das Berufliche Bildungszentrum (BBZ) des Heggbacher Werkstattverbunds unterstützt seit einem Jahr Langzeitarbeitslose mit Suchterkrankung in einem Projekt zur beruflichen Wiedereingliederung. „NaWiSu“ (nachhaltige Wiedereingliederung suchtkranker Menschen) wird aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes Baden-Württemberg gefördert.

Das BBZ arbeitet bei NaWiSu mit der Psychosozialen Beratungsstelle der Caritas Biberach-Saulgau zusammen. Ziel ist es, dass die derzeit zwölf Teilnehmerinnen und Teilnehmer trotz einer bestehenden Abhängigkeit wieder eine Arbeit aufnehmen können.

Menschen wie Frau K. zum Beispiel. Die gepflegte, zierliche Frau hat eine lange Drogenkarriere hinter sich. Groß geworden ist sie in einer Adoptiv Familie in Ulm, ihre leibliche Mutter will bis heute keinen Kontakt mit ihr. Mit 13 begann sie zu rauchen, mit 14 Alkohol zu trinken, mit 16 kamen weitere Drogen dazu. „Heroin, Kokain, Ecstasy – ich habe so gut wie alles durch“, erzählt die 40-Jährige, während sie auf die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer wartet, um ins Laupheimer Planetarium zu fahren. NaWiSu findet wochentags von 8.30 bis 14.30 Uhr statt, ein halber Tag in der Woche ist während der acht Monate im Kurs für Freizeitaktivitäten reserviert.

Frau K. sieht in NaWiSu eine echte Chance. Sie lebte monatelang auf der Straße, kam ins Gefängnis und stand bei der Entlassung vor der Frage „Wo geht’s hin?“ Seit Januar hat sie eine eigene Wohnung in Biberach: „Das ist das erste Mal, dass ich wirklich selbständig lebe. Ein unglaubliches Gefühl.“ Sie kommt gerne zum Kurs: „Die Dozenten motivieren uns sehr. Wir lernen, am Computer zu arbeiten, schauen, wo unsere Stärken liegen. Für mich ist dieser Kurs wahnsinnig wichtig. Ich weiß, ich kann jetzt doch noch die Kurve kriegen.“

Eine der Dozentinnen ist Petra Jung, Sozial-, Job- und Bildungscoach des Heggbacher Werkstattverbunds. „Die Männer und Frauen hier bringen alle Ihre eigene Geschichte mit, die erklärt, warum sie in dieser Gesellschaft eher Außenseiter sind“, sagt Petra Jung. „Sie dabei zu unterstützen, sich wieder ihrer Stärken, Kenntnisse und Fertigkeiten bewusst zu werden und sich weiterzuentwickeln, ist unser Ansporn.“

Die Kursteilnehmer lernen wieder aktiv zu sein, durch Werkunterricht und durch das Reparieren von Fahrrädern mit engagierter Unterstützung der Firma Rad-Zipfel-Service in Biberach. Sie erwerben und trainieren ihre sozialen Kompetenzen. Sie gestalten ihre eigene Bewerbungsmappe. Bei Gruppenaktivitäten geht es zudem um das Sozialverhalten. Ein Einzel-Jobcoaching ist zentraler Bestandteil der Maßnahme.

Das Besondere an diesem Projekt: Abstinenz ist keine Voraussetzung. Die Probleme sind vielfältig: Drogen und nicht stoffgebundenes Suchtverhalten, wie Spielsucht, erschweren die Kursteilnahme. Es gibt Krankheitsphasen, manche brechen ab - aber die Maßnahme kann eben auch in einer Übernahme in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung enden.

Darauf hofft auch Frau K. Sie würde gerne in der Altenpflege arbeiten und möchte dafür ein Praktikum machen. Ein weiteres großes Ziel ist es, dass ihre Kinder mit Zustimmung des Jugendamtes zu Besuch kommen und bei ihr übernachten dürfen. Dafür richtet sie ihre kleine Zweizimmerwohnung liebevoll her und arbeitet hart an sich. Das Wichtigste: Sie hat gelernt zu sagen „Bitte hilf mir“.

 

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