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26.09.2014
WfbM Laupheim

Nach der Tagesetappe geht es zum Schlafen ins Heu

LAUPHEIM – Bis zum Beginn des vorigen Jahrhunderts sind alljährlich im Frühjahr viele hundert Kinder aus dem Alpenraum zu Fuß nach Oberschwaben gewandert. Auf Kindermärkten haben sie sich an Bauern verdingt, auf deren Höfen sie dann bis zum Herbst gearbeitet haben. Wie diese „Schwabenkinder“ gelebt haben, das wollten neun junge Menschen mit Behinderung genauer wissen.

Zusammen mit Begleitern haben sie sich auf die Socken gemacht und sind rund 70 Kilometer eine historische Schwabenkinder-Route gewandert. An der Strecke erinnern Kapellen, Brücken und Wegmarkierungen an die Geschichte dieser Kinder. Ziel der Wanderwoche war das Bauernhausmuseum in Wolfegg mit seiner Schwabenkinder-Ausstellung. Organisiert wurde das Projekt vom Heggbacher Werkstattverbund, Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) Laupheim. Die Teilnehmer kamen aus der WfbM, dem Beruflichem Bildungszentrum (BBZ) und dem Kompetenzzentrum mechanische Fertigung (KMF).

„Ein Ziel des Projektes war, dass sich Menschen mit Behinderungen in die Lebenssituation anderer Menschen hineinversetzen, indem sie diese nacherleben“, sagt Markus Reißig, Leiter des Förder- und Betreuungsbereichs (FuB) und Arbeit und Förderung (AuF) in der WfbM Laupheim. „Die Möglichkeit dazu fehlt in ihrer oftmals sehr stark fremdbestimmten Lebenswirklichkeit – das wollten wir mit dem Projekt und Abenteuer `Schwabenkinder´ ändern.“

An einem Montagmorgen im Mai geht es los, zunächst mit dem Bus von Laupheim nach Sigmarszell-Bösenreutin, dem Startpunkt der Wanderung. Über Wiesen und Schotterwege mit Blick auf den schneebedeckten Säntis und den Pfänderrücken erreicht die Gruppe nach 16 Kilometern Fußmarsch als erstes Etappenziel den Ferienhof Lanz in Achberg-Baind. Am offenen Feuer grillen die Wanderer Würstchen, zur Nacht klettern sie müde - wie damals die Schwabenkinder - ins Heu.

Ab dem zweiten Tag begleitet Stefan Schlipf mit Traktor und Anhänger die Gruppe. 18 Kilometer Weg führen zunächst an der Argen entlang, dann durch Obstgärten mit Blick auf Berge und Bodensee bis zum Bio-Landhof der Familie Kronenberger in Grünkraut-Schregsberg. Auf dem Hof wird gerade das Futter für die Tiere eingebracht, die Wanderer dürfen dabei helfen. Blue Boy, der Begleithund der Schwabenkinder-Wanderer, freundet sich mit dem Hofhund an. Wieder gibt es ein Nachtlager im Heustadel.

 

Schwabenkinder konnten sich das Wetter auch nicht aussuchen

 

Am dritten Tag regnet es. Aber die Schwabenkinder konnten sich das Wetter auch nicht aussuchen, sagen sich die Wanderer. Völlig durchnässt kommen sie nach 17 Kilometern am Etappenziel an: dem Ferienhof der Familie Fuchs in Schlier-Albis­reute. Aufgewärmt und in trockenen Kleidern verbringt die Gruppe noch einen lustigen Abend.

Am vierten Tag wandert die Gruppe 16 Kilometer durch Wald, einmal verlaufen sich alle und machen einen Umweg von drei Kilometern. Endlich erreichen sie fix und fertig, aber glücklich und zufrieden den Ferienbauernhof der Familie Gmünder. Trotzdem reicht die Energie noch, um den Gastgebern beim Umpfählen der Weideplätze zu helfen. Abends am Lagerfeuer wird bis spät in die Nacht über längst Vergangenes und die Schwabenkinder gesprochen.

Am letzten Tag, dem Freitag, besucht die Gruppe das Bauernhausmuseum in Wolf­egg. In der Schwabenkinder-Ausstellung informieren sich die Wanderer über Arbeit und Alltag der Hütekinder, die sich auf den beschwerlichen Weg ins Schwabenland machten. Besonders gefällt den Laupheimern das Angebot, sich per Kopfhörer die Lebensgeschichten dreier Schwabenkinder erzählen zu lassen.

Für die behinderten Menschen und ihre Begleiter war die Wanderung ein unvergessliches Erlebnis und Abenteuer – da sind sich alle einig. Möglich gemacht haben dieses Erlebnis die Testläufer Egidius Luigard und Uli Neumann sowie die Weg-Paten Arnold und Susanne Leven, Elisabeth Maeser, Elftraut Reißig, Helga und Reiner Held von der Firma Schlecht sowie die Firma Pecha Kunststoffe. Geplant und organisiert haben die Tour Charlotte und Sepp Mangold sowie Markus Reißig.

 

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