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04.07.2013
Casa Elisa - Kindertagesstätte, Ravensburg

Kinder brauchen Männer zur Rollenfindung

RAVENSBURG – Harter Männersport und liebevolle Kinderbetreuung: Die Kombination klingt zunächst ungewöhnlich, aber für Marco Miller ist sie ganz normal. Der Eishockey-Profi, den viele als Stürmer der Ravensburger Tower Stars kennen, macht zurzeit ein Praktikum in der Casa Elisa Kindertagesstätte der St. Elisabeth-Stiftung.

„Magst du etwas trinken, Fabian?“ Praktikant Marco Miller führt den kleinen Jungen zur Wasserzapfstelle im Garten der Kindertagesstätte. Von da geht es zum Balancierbalken. An Marcos Hand fühlt Fabian sich sicher. „Am Anfang haben sich die Kinder noch vorsichtig an mich ran getastet“, berichtet Miller. „Aber dann hat der Luis mich in den Arm genommen und das Eis war gebrochen.“

 

Miller ist 23 Jahre alt, gebürtiger Ravensburger, seit fünf Jahren professioneller Eishockey-Spieler und studiert nebenher im zweiten Semester Elementarbildung an der Pädagogischen Hochschule Weingarten. Das Praktikum ist Teil seines Studiums. Sein Hauptberuf Eishockey ist vor allem am Wochenende zeitaufwendig, unter der Woche verbringt Miller rund vier Stunden täglich in der Eishalle und am Montag hat er frei.

 

Meistens wählen Eishockey-Profis, wenn sie studieren, Fächer wie Sportmanagement oder Betriebswirtschaftslehre und das im Fernstudium, berichtet Miller. Und warum hat er selber einen anderen Weg gewählt? Was sagen seine Eishockey-Kollegen dazu? „Die sind meist überrascht, wenn sie davon hören“, sagt Miller. „Zuerst meinen sie, dass das nicht zusammen passt - beim Eishockey geht es hart zu, mit kleinen Kindern dagegen muss man liebevoll umgehen.“ Aber wenn Miller dann berichtet, wie er dazu gekommen ist, sagen sie: „Okay, klar, das macht Sinn.“

 

Miller stammt aus einer Großfamilie, er ist der älteste von vier Geschwistern, immer haben zusätzlich Pflegekinder im Haus gelebt, dazu kommen jede Menge Vettern und Kusinen. „Ich konnte immer schon gut mit kleinen Kindern umgehen“, sagt er. Eigentlich wollte Miller Grundschullehrer werden. Aber mit seiner Fachhochschul-Reife wird er zum Lehramtsstudium nicht zugelassen. Deshalb hat er sich für das Fach Elementarbildung mit dem Abschluss „staatlich anerkannter Kindheits­pädagoge“ entschieden.

 

Wunschberuf scheitert am Gehalt

 

An seinem Praktikum in der Casa Elisa Kindertagesstätte hat Miller sehr viel Spaß. Er könnte sich gut vorstellen, später nach seiner Profikarriere als Eishockey-Spieler in der Tagesstätte zu arbeiten – wenn da nicht die Frage nach den Finanzen wäre. Miller will später selber eine Familie gründen, eigene Kinder haben und auch Pflegekinder aufnehmen, wie er es selber bei seinen Eltern erlebt hat. „Meine Frau soll die Möglichkeit haben, zumindest am Anfang für die Kinder da zu sein“, sagt er. In der Kinderbetreuung würde er auch mit abgeschlossenem Studium nicht mehr verdienen als ein Erzieher. „Da müssten beide arbeiten gehen, und wenn man sich mal was leisten will, einen schönen Urlaub, müsste ich noch einen Zusatzjob annehmen.“

 

Mehr verdienen könnte er als Kindheitspädagoge vielleicht, wenn er zum Beispiel im Jugendamt arbeitet. „Aber dann säße ich im Büro und wäre von den Kindern weg.“ Wie er dieses Dilemma löst, weiß Miller noch nicht. Aber warum Fachkräfte in Kindertagesstätten schlechter bezahlt werden als Lehrer, leuchtet ihm nicht ein. „Der Kindergarten ist die wichtigste Zeit für die Entwicklung der Kinder – warum spart man daran?“

 

„Kinder brauchen ein gutes Fundament, und das wird früh gelegt: im Elternhaus und bei uns“, sagt Regina Heggenberger, Leiterin der Casa Elisa Kindertagesstätte. Bisher haben in Kindertagesstätten Erzieher, Kinderpfleger und Heilerziehungs­pfleger gearbeitet, berichtet sie. Ein neues Gesetz soll dem Fachkräftemangel abhelfen: Jetzt dürfen auch Vertreter anderer Berufe wie Geburtshelferinnen, Grundschullehrer oder Sozialpädagogen eingestellt werden – aber die höchste Gehaltseinstufung - die des Erziehers – wird dabei nicht überschritten.

 

„Besser wäre es“, sagt Heggenberger, „die Ausbildung der Fachkräfte zu stärken und das Gehalt zu verbessern.“ Dann würden auch mehr Männer in der Kinderbetreuung arbeiten – davon ist sie überzeugt. „Unsere Kinder brauchen Männer zur Rollenfindung und zur Orientierung“, sagt die Tagesstättenleiterin. „Kinder in Krippe, Kindergarten und Grundschule sind umgeben von Frauen.“ Auch in der Casa Elisa Kindertagesstätte sind die 21 Fachkräfte und Auszubildenden alle Frauen. Heggenberger hätte gern mehrere Männer im Team: „Damit die Kinder Männlichkeit verschieden erleben können.“ Männer spielen anders, Männer trösten anders, Männer machen andere Dinge, sagt Heggenberger. „Der Mensch ist Mann und Frau - Kinder brauchen beides zur Entwicklung.“

Im Studiengang Elementarbildung an der PH Weingarten lernen die Studenten, wie sie Kinder im Alter von Null bis zehn Jahren optimal und wissenschaftlich fundiert in ihrer Entwicklung unterstützen. Inhalte des Studiums sind die pädagogischen und psychologischen Grundlagen von Erziehung und Bildung, die Förderung kindlicher Lernprozesse zum Beispiel in den Bereichen Sprache, Mathematik, Religion und Kunst, die Zusammenarbeit mit Eltern und Institutionen sowie Leitungs- und Managementaufgaben. Die Absolventen sind staatlich anerkannte Kindheits­pädagogen. Sie arbeiten in Kindertagesstätten und im Grundschulbereich von Ganztagsschulen.

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