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02.10.2014
Wohnen und Begleiten Ingerkingen

Ingerkingen im "Biberacher Erinnerungsweg"

INGERKINGEN – 72 Kinder und Jugendliche aus Ingerkingen und Heggbach fielen dem NS-Euthanasie-Programm zum Opfer. Das Denkstättenkuratorium NS-Dokumentation Oberschwaben hat nach Heggbach am 27. Januar dieses Jahres am Mittwochvormittag auch Ingerkingen mit einer Gedenktafel bedacht und diesen Ort somit offiziell in den „Biberacher Erinnerungsweg“ aufgenommen. Professor Dr. Wolfgang Marcus vom Denkstättenkuratorium NS-Dokumentation Oberschwaben freute sich besonders über zahlreiche Jugendliche, die die Gedenkstunde gebannt verfolgten oder selbst mitwirkten.

 „Ich freue mich immer, wenn junge Menschen dabei sind“, lobte Professor Dr. Marcus. Vor eineinhalb Jahren begann er, den Biberacher Erinnerungsweg mit seinen insgesamt 82 Stationen zu begründen. Inzwischen sind rund 30 Stationen gekennzeichnet. Besonders gelungen seien die Feiern zur Übergabe der Gedenktafeln immer dann, wenn junge Menschen dabei seien.

Die Akteure der Feier im Haus St. Franziskus, wo die Gedenktafel an der Außenwand angebracht ist, waren Schüler und Bewohner des Bereichs Wohnen und Begleiten Ingerkingen und der Schule St. Franziskus aus dem Bereich Kinder-Jugend-Familie der St. Elisabeth-Stiftung. In ihrer szenischen Lesung „Das kurze Leben der Käthe Krämer“ erinnerten sie vor Mitarbeitern, Mitschülern und weiteren Gästen an ein besonders trauriges Schicksal: Käthe Krämer wurde am 11.Juli 1942 in Heggbach von den Nazis abgeholt und nach Ausschwitz gebracht. Die zwölfjährige Jüdin war zuvor von ihren Eltern verlassen worden, die nach Amerika ausgewandert waren, um ihr eigenes Leben zu retten. Die Franziskanerinnen von Reute, in deren Obhut Käthe Krämer in Ingerkingen und später in Heggbach war, konnten sie irgendwann nicht mehr verstecken und vor dem Zugriff des Nazi-Regimes  bewahren.

Die musikalisch von Lehrern der Schule St. Franziskus untermalte Feierstunde erinnerte anrührend an die 72 ermordeten Kinder und Jugendliche mit geistigen Behinderungen und damit auch an die Schattenseiten in der Geschichte der Einrichtung. Annemarie Strobl, Vorstand der St. Elisabeth-Stiftung,  erklärte „erinnern lehrt uns den Respekt vor den Menschen“. Umso mehr gelte es heute dafür einzutreten, dass auch kranke Menschen oder Menschen mit Behinderungen ein Recht auf Leben und Teilhabe in der Gesellschaft bekommen. „Ingerkingen ist ein Platz, wo niemand ausgeschlossen wird“, machte sie deutlich.

Professor Dr. Wolfgang Marcus unterstrich, wie wertvoll er den „Dienst am Leben“ in den Einrichtungen der St. Elisabeth-Stiftung einschätze. Unabhängig von Konfession oder Behinderung würde hier umgesetzt, was Papst Franziskus fordere, sich den armen, kranken und schwachen Menschen in unserer Gesellschaft besonders anzunehmen.

Wolf-Dieter Korek, Leiter Bereich Kinder-Jugend-Familie der St. Elisabeth-Stiftung erinnerte daran, wie schmerzlich die Auseinandersetzung mit der Geschichte im Jubiläumsjahr war: 2011 hatten der Bereich Wohnen und Begleiten Ingerkingen und die Schule St. Franziskus ihr 100-jähriges Bestehen gefeiert. Dankbar sei er für die Gedenktafel und dafür, dass der Ort Station des „Biberacher Erinnerungsweges“ geworden ist. Zumal tatsächlich bereits Besucher nach Ingerkingen kämen, die vom „Biberacher Erinnerungsweg“ schon gehört hatten.

 

 

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