Schließen Menü
18.08.2016
Wohnpark am Jordanbad, Biberach

„Sayed schwätzt schon gut Deutsch“

BIBERACH - Asylbewerber ins Arbeitsleben zu integrieren ist der St. Elisabeth-Stiftung ein Anliegen. Auch in der Altenpflege beschäftigt sie im Rahmen des Bundefreiwilligendienstes Flüchtlinge. Wie sind die Erfahrungen mit zwei im Wohnpark am Jordanbad tätigen Afghanen?

„Ob der von Indien kommt oder Israel ist mir egal. Hauptsache, er schafft gut“, meint Manfred Vinzens (68), der nach einem Schlaganfall seit drei Jahren im Wohnpark lebt, auf die Frage, ob es ihm gefalle, von einem Hauswirtschaftshelfer aus einer fremden Kultur versorgt zu werden. “Kein Problem. Der Sayed schwätzt schon gut Deutsch und ist sehr höflich“. Auch Paula Demuth (88), die einen Tisch weiter ihr Mittagessen einnimmt, meint: “Die beiden machen ihre Arbeit toll. Sie vergessen nie zu fragen ‚Wie haben Sie geschlafen‘ und nehmen sich Zeit für jeden“. Ähnliches ist von allen Bewohnerinnen und Bewohnern zu hören.

Maximilian Müller, Leiter der Einrichtung, ist im April das Wagnis eingegangen, für zwölf Monate Sayed Ahmad Ahmadi (23) und Zahid Rahman Zahidi (26) als Bundesfreiwillige („Bufdi“) einzustellen. Als er die Anfrage vom Ummendorfer Unterstützerkreis für Flüchtlinge erhielt, hatte die St. Elisabeth-Stiftung gerade beschlossen, auch Asylbewerber in dieses Programm aufzunehmen. Sie werden speziell betreut und erhalten einen Sprachkurs.

Wie sind die Erfahrungen nach fünf Monaten? „Natürlich gibt es eine Sprachbarriere“, räumt Müller ein, „doch Mitarbeiter und Bewohner schätzten Sayed und Zahid sehr“. Auf die Frage, was seine Bufdis auszeichnet, lobt der Dreißigjährige: „Man spürt den Respekt vor dem Alter. In ihrer Kultur ist Alter mit Autorität verbunden“. Und es gibt wirklich keine Schwierigkeiten? „Die zwei machen alles und sind sich nie zu fein für irgendeine Arbeit. Natürlich müssen wir sie gut anleiten, aber nach kurzer Zeit waren sie schon eine echte Hilfe. Wir sind sehr froh, auf diesem Weg junge Männer für die Arbeit in der Altenpflege zu gewinnen“.

 

Er ist ein guter Kerl, wir mögen ihn alle

Wie bewerten Angehörige die Asylbewerber? „Sayed ist erste Klasse“, schwärmt Michael Henning (80), der jeden Tag zu seiner dementen Frau in den Wohnpark kommt. “Er wischt den Tisch immer ganz sauber, weiß genau, wer was trinken will und ist sehr anständig. Er ist ein guter Kerl, wir mögen ihn alle. Wenn er hier bliebe, wäre es wunderbar“.

Heimleiter Müller fällt auch bei längerem Nachdenken keine Situation ein, bei der es zu gravierenden sprachlichen Missverständnissen gekommen wäre. “Gestern mussten wir allerdings lachen, als wir bei der Besprechung des Speiseplans Zahid erklären wollten, was ein Kaiserschmarren ist. Etwas Treffenderes als ‚hässlicher Pfannkuchen‘ fiel uns nicht ein“.

Und wie gefällt es Sayed, der in Kandahar als Zivilist bei den Amerikanern gearbeitet hat, und Zahid, dem ehemaligen Soldaten der afghanischen Armee? Beide wurden von den Taliban mit dem Leben bedroht. Sie freuen sich, so gut aufgenommen zu werden. Finanziell lohnt es sich zwar kaum, bei jedem Wetter zum Schichtdienst zu radeln: Neben dem monatlichen Bufdi-Taschengeld in Höhe von 340 Euro werden ihnen vom Landratsamt nur noch 70 Euro bezahlt statt bisher 320 Euro, die ihnen laut Asylbewerbergesetz neben dem Wohnen in der Ummendorfer Gemeinschaftsunterkunft zustehen. Aber sie sind sehr froh, hier arbeiten, Erfahrungen zu sammeln und Deutsch sprechen zu können. Hätte Heimleiter Müller nicht noch einmal ausdrücklich erklärt, dass ihnen 30 Tage Urlaub im Jahr zustehen, hätten sie durchgearbeitet. Das Wort Urlaub kannten sie nicht. Jetzt wissen sie, was das ist. Und wie Kaiserschmarren schmeckt.

Bundesfreiwilligendienst auch für Ausländer

Jeder, der seine Pflichtschulzeit absolviert hat, kann sich als Freiwilliger engagieren, unabhängig von Alter, Geschlecht und Nationalität. In der Regel dauert der Dienst ein Jahr. Wer über 27 Jahre alt ist, kann Teilzeit arbeiten. Das Taschengeld beträgt pro Monat bis zu 372 Euro. Beiträge für Renten-, Unfall-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zahlt die Einsatzstelle, die auch ein qualifiziertes Zeugnis ausstellt. Informationen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben Tel. 0221 3673-0 sowie unter www.bundesfreiwilligendienst.de

Link kopieren