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26.08.2013
Heggbacher Wohnverbund

Fotos sind Vertrauenssache – für die Profi-Boxerin ebenso wie für den Hobby-Gitarristen mit Behinderung

BAD SAULGAU – Schwere Zeiten haben sie alle erlebt: die Profi-Boxerin Rola El Halabi, der begeisterte Gitarre-Spieler Helmut Nemitz, der als Mensch mit Behinderung in einer Wohngruppe des Heggbacher Wohnverbunds der St. Elisabeth-Stiftung lebt – und der Fotograf Andreas Reiner, dessen Werke zurzeit in der städtischen Galerie Fähre in Bad Saulgau ausgestellt sind. Wie sie an den schweren Zeiten gewachsen sind, davon haben sie am Sonntag in der Fähre bei einer Podiumsdiskussion mit 120 Zuhörern erzählt.

„Wenn ich heute einen Kampf verliere, dann geht nicht die Welt unter“, sagt Rola El Halabi. Der Profi-Boxerin aus Ulm hatte vor zwei Jahren ihr Stiefvater in Hand, Knie und Füße geschossen. Damals war nicht klar, ob sie jemals wieder kämpfen würde. Dieses Jahr im Januar stand die Doppel-Weltmeisterin wieder im Ring – und verlor ihren ersten Kampf nach dem Angriff. Aber das sei nicht schlimm gewesen: „Heute habe ich so viel anderes im Leben“, sagt El Halabi, „ich reduziere mich selbst nicht mehr aufs Boxen.“

 

Fotograf Andreas Reiner war vor und nach dem Kampf bei El Halabi in der Kabine. „Das war echt Horror, so emotional“, erinnert sich Reiner. „Ich wär am liebsten gegangen.“ Aber er ist geblieben und hat fotografiert, hat festgehalten wie die Boxerin lacht, weint und sich sammelt.  El Halabi findet seine Bilder „ehrlich und schön“ – auch die, auf denen sie sich selber nicht schön findet. Voraussetzung für solche Fotos seien Freundschaft und Vertrauen.

 

Früher habe er sich als coolen Typen gesehen, sagt Fotograf Reiner aus Biberach. Aber nach Zusammenbruch und Psychiatrie-Erfahrung interessiere ihn die Fassade nicht mehr. Jetzt wolle er nur noch authentisch sein. „Von meinem Gegenüber erwarte ich ja auch, dass er sich öffnet.“ Ein Zuschauer will wissen, wie der Fotograf „an die Leute rankommt“. Mit Respekt, sagt Reiner. Man müsse mit den Leuten reden und eine Vertrauensbasis schaffen. 

 

„Die Leute sind verdammt stolz auf ihre Bilder“

 

Einer der Glanzpunkte in Reiners aktueller Ausstellung ist eine Porträt-Serie: Der Fotograf hat Menschen mit Behinderung zu Selbstporträts eingeladen. Wie die Bilder bei den Porträtierten ankommen, will Moderator Wolfgang Dürrenberger vom Heggbacher Wohnverbund der St. Elisabeth-Stiftung wissen. „Die Leute sind verdammt stolz auf ihre Bilder“, berichtet Alexandra Simon, Leiterin des Wohnbereichs Biberach/Ravensburg. So wie der Fotograf sollten alle Menschen lieber mit den Bewohnern reden als über sie. Für diese Forderung gibt es lauten Applaus im Publikum.

 

Den meisten Beifall bekommt Helmut Nemitz. Auf dem Podium in der Fähre erzählt er von seinem liebsten Hobby, dem Gitarre spielen. Sein Foto in der Ausstellung könnte auch einen kubanischen Profi-Musiker zeigen, findet Moderator Dürrenberger. Nemitz selber gefällt das Bild sehr gut. Wie die Profi-Boxerin hat auch er schwere Zeiten erlebt. Aber jetzt geht es ihm gut, sagt er. Nemitz arbeitet als Landschaftspfleger und lebt in einer Biberacher Wohngruppe für Menschen mit Behinderung des Heggbacher Wohnverbunds. „Da habe ich nur positive Erfahrungen gemacht, da fühle ich wohl.“

Die Ausstellung „Sichtlich Mensch“ in der städtischen Galerie „Fähre“ im Alten Kloster in Bad Saulgau ist noch bis zum 15. September zu sehen. Sie ist dienstags bis sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet drei Euro.

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