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29.01.2014
Heggbacher Wohnverbund

Gedenkbuch und -tafel eingeweiht

HEGGBACH – Gut 250 Interessierte besuchten am Montagabend die jährlich am 27. Januar stattfindende Euthanasie-Gedenkfeier in der Kirche St. Georg im Hag. Im Rahmen des bewegenden Gottesdienstes präsentierten Mitarbeiter des Heggbacher Wohnverbundes und der Vorstand der St. Elisabeth-Stiftung das neue Gedenkbuch „Spur der Erinnerung“, das seither an der Euthanasie-Gedenkstätte der Kirche ausliegt. Professor Dr. Wolfgang Marcus vom DENKstättenkuratorium NS Dokumentation Oberschwaben enthüllte anschließend eine Gedenktafel an der Kirchenmauer.

Hintergrund für das Datum der Veranstaltung war der bundesweite Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus: Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee das Konzentrationslager Ausschwitz. 1940 hatte die nationalsozialistische Verwaltung mit den gefürchteten „grauen Bussen“ in drei Etappen insgesamt 193 Menschen mit Behinderung aus dem Kloster Heggbach abholen lassen. Die Busse brachten sie in das Tötungslager im ehemaligen Jagdschloss „Grafeneck“.

Annemarie Strobl, Sprecherin Vorstand der St. Elisabeth-Stiftung, wies in einer Rede darauf hin, wie der Name „Euthanasie“ (griechisch in etwa: „schöner, leichter Tod“) die grausamen Geschehnisse in der NS-Zeit verharmlose. Sie setzte die Geschehnisse in Heggbach in den Kontext aller Morde an Behinderten während der NS-Zeit. Die Nationalsozialisten hätten die Menschen zu Nummern degradiert; das Gedenkbuch mit einer Auflistung der Namen der Opfer solle ihnen nun wieder Persönlichkeit zurückgeben. Eine christliche Einrichtung müsse ihre Vergangenheit immer wieder kritisch hinterfragen und „heute wachsam sein bei der Fragestellung: Wie geht die Gesellschaft mit ihren Schwächsten um?“, so Strobl.

Renate Weingärtner, Leiterin des Heggbacher Wohnverbunds, schilderte die Situation, in der sich das Kloster Heggbach 1940 befand: den allgemein schweren Stand der Behindertenhilfe damals, die vielen Einzelschicksale, die hinter den Morden steckten, die Ohnmacht der Schwestern. In der NS-Zeit sei das Hauptziel einer Behinderteneinrichtung das reine Überleben gewesen. Dem stellte sie die heutigen Bedingungen gegenüber: Jetzt gehe es darum, Menschen mit Behinderung individuell zu fördern, sie in die Gesellschaft einzubringen mit dem Ziel, dass sie selbstbestimmt und selbstständig leben können. Der Gedenktag solle daran erinnern, wie wichtig es ist, sich für ein Recht auf Leben und Menschenwürde einzusetzen.

Schwester Mirjam Engst, Leiterin des Pastoralen Dienstes im Heggbacher Wohnverbund, behandelte das Thema aus theologischer Sicht: Die Auferstehung Jesu Christi zeige, dass nach dem Tod aus Zeit Ewigkeit werde. Dies ermögliche eine neue Sichtweise auf die brutalen Morde, auch wenn es sie nicht harmloser mache. Wenn wir den Opfern gedenken, sei ihr Sterben nicht umsonst gewesen: Es zeige uns allen auf, wie grausam es ist, wenn Menschen sich anmaßen, über den Wert des Lebens von Mitmenschen zu entscheiden.

Das 140 Seiten dicke Gedenkbuch „Spur der Erinnerung“ liegt jetzt in der Heggbacher Kirche aus - es bietet viel Platz, auf dem Besucher ihre Gedanken niederschreiben können. Die Heggbacher Schwestern haben das Buch symbolisch über ein rotes Seidenband mit der Krippenfigur Jesu Christi vor dem Altar verbunden. Über den Kreuzweg und die Osterkerze soll es die Euthanasie-Opfer mit dem Leben Jesu Christi und seiner Liebesbotschaft in Zusammenhang bringen, so Sr. Leonie Voitenleitner vom Pastoralen Dienst in Heggbach.

Nach dem Gottesdienst enthüllte Professor Dr. Wolfgang Marcus vom 2011 entstandenen DENKstättenkuratorium NS Dokumentation Oberschwaben eine Gedenktafel an der Kirche. Diese ist jetzt eine Station auf dem „Biberacher Erinnerungsweg“, einem von fünf kreisbezogenen Erinnerungswegen über Spuren nationalsozialistischer Verbrechen in Oberschwaben. „Die Tafel soll den Leuten signalisieren: Passt auf, hier ist etwas“, so Professor Dr. Marcus.

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