Schließen Menü
13.07.2012
Fachdienst Bildung und Entwicklung, Heggbach

"Schau mal, tanzende Blätter"

HEGGBACH – Franziska Schätzle erkundet die Welt durch den Sucher ihrer Kamera. Was sie sieht, teilt die 22-jährige mit Down-Syndrom noch bis zum 15. September in Form einer Ausstellung in Heggbach mit ihren Mitmenschen.

 

Wenn Franziska Schätzle ihre Kamera auf einen Baum richtet, sagt sie „Schau mal, tanzende Blätter“ bevor sie auslöst. Ihr Blick geht nach oben, zu Stromleitungen, die den blauen Himmel durchziehen und nach unten, zu einzelnen Blüten in prachtvollen Blumenbeeten. Ein- bis zweimal in der Woche schnappen sich beide ihre Kamers – die Tochter digital, die Mutter analog. Dann streifen sie zusammen durch Wälder, Gärten und Dörfer. Im Ochsenhauser Klostergarten trennen sich ihre Wege und jeder konzentriert sich auf seine Sache. Heraus kommen Bilder, die „manchmal ganz verblüffend sind“, sagt Sabine Schätzle.

 

Franziska selbst sagt nicht sehr viel zu ihren Fotos. Sie lächelt schüchtern, geht mit von Bild zu Bild und lässt lieber ihre Mama reden. Ihr Blick wandert zu den großen Fenstern in den Garten. Dann entdeckt sie etwas. Eine Nachbildung eines Dinosaurierskeletts so groß wie ein Känguru. Sie bekommt die Kamera und lässt sich beim Einstellen helfen. Als das Foto im Kasten ist, gibt Franziska ein stolzes „Jetzt haben wir’s“ von sich. Fotos machen ist spannender als Fotos anschauen.   

 

Vor zwei Jahren hat Mutter Sabine ihrer Tochter, die mit Down-Syndrom auf die Welt kam, die Kamera geschenkt. „Aufgrund des Gendefekts ist die Motorik eingeschränkt“, sagt Sabine Schätzle. Franziska kann nicht schwimmen oder Radfahren. „Wir haben nach einem Anreiz gesucht, dass sie sich mehr bewegt und nur spazieren war Franzi immer zu langweilig.“ Seit sie festhalten kann, was ihr auf den Streifzügen begegnet, ist das anders. 

 

Die Kamera baumelt am Handgelenk und kommt maximal zehn Mal pro Ausflug zum Einsatz. „Sie wählt ihre Motive schon genau aus“, sagt die Mutter. Eines der ersten Fotos überhaupt hat es in die Ausstellung geschafft: Auf dem Kapellenberg in Erolzheim drücken sich nach einem langen und kalten Winter die ersten Buschwindröschen aus der Erde. Außerdem hat Franziska Schätzle Landschaftsbilder mit auffälligen Symmetrien ausgewählt sowie Detailaufnahmen, die von Kontrasten leben: Ein knalliges Schild beispielsweise, das an historischem Gemäuer angebracht wurde und auf eine Geschwindigkeitsbegrenzung hinweist. Oder bunt angemalte und spitzzulaufende Bretter, die einen tristen, grauen Zaun schön aussehen lassen. Ein anderes Bild zeigt ein Hinweisschild auf das Kriegsgräberdenkmal mit mehreren Kreuzen. Es ist umzingelt von kleinen Blüten. „Kreuze haben sie schon immer fasziniert.“ 

 

 „Durch unsere Tochter, werden wir gezwungen, selbst immer auch ein bisschen Kind zu bleiben.“ Befremdlich findet Sabine Schätzle daher die Vorstellung, dass es demnächst auch in Deutschland einen Bluttest geben soll, der ausschließlich auf Trisomie 21 hinweist. „Wieso will man das denn überhaupt wissen, wenn man sich für ein Kind entscheidet?“ Wie unglaublich viel man gewinnt, wenn man einen Menschen mit Behinderung kennt, werde in der derzeitigen Diskussion vollkommen vergessen. 

 


Die Ausstellung im Begegnungsraum

in Heggbach ist noch bis zum 15. September 

2012 geöffnet.

Montag bis Freitag 9 - 16 Uhr,

Samstag und Sonntag 14 - 17 Uhr.

Link kopieren