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08.07.2011
St. Elisabeth-Stiftung, Bad Waldsee

„Niemals den Menschen dem Zweck opfern“

Viel Beifall erntete Ministerpräsident a.D. Erwin Teufel in der Sinn-Welt im Jordanbad für seinen Vortrag „Braucht die Wirtschaft Ethik?“ von den rund 100 anwesenden Gästen. Teufel sprach auf Einladung der St. Elisabeth-Stiftung im Rahmen der Reihe „Sinn-Fragen“.

Dem großen Beifall nach, den Erwin Teufel am Ende seines knapp zweistündigen Vortrags erhalten hat, konnte er sein Publikum überzeugen: Ja, die Wirtschaft braucht Ethik. Warum, dafür nannte der 72-jährige ehemalige und immer noch dienstälteste Landeschef von Baden-Württemberg viele gute Gründe. Einen der wichtigsten hob Teufel besonders hervor: „Nicht die Maschinen, die Gebäude, die Technik sind das Kapital eines Unternehmens – das Kapital eines Unternehmens sind die Menschen.“

Was er unter Ethik in der Wirtschaft verstehe, erläuterte Teufel, der nach seinem Ausscheiden aus der Politik selbst fünf Semester Philosophie in Bayern studiert hat, sehr anschaulich, indem er sich auf den emeritierten Tübinger Professor Hans Küng bezog. Dieser hat alle großen Weltreligionen studiert und ist zu der Erkenntnis gelangt, sie alle enthalten eine „goldene Regel“. Diese, in vielen religiösen und ethischen Traditionen der Menschheit zu findende und im Grunde sehr einfache Regel, hat sich seit Jahrtausenden bewährt hat: „Was du nicht willst, das man dir tu‘, das füg‘ auch keinem anderen zu.“

Dies sollte die unverrückbare, unbedingte Norm für alle Lebensbereiche sein, so Teufel. Das eigene Gewissen sage einem meist sehr präzise, ob man richtig oder falsch handle. Es gelte nur, darauf auch zu hören. Hinzu komme der berühmte, meist von Müttern zu ihren Kindern gesagte Satz: „Das tut man nicht.“ Teufel erinnerte in diesem Zusammenhang an die Bedeutung des griechischen Begriffs „Ethos“, also an guten Brauch und gute Sitte, richtiges Verhalten; kurz den verantwortungsvollen Umgang mit Mensch, Tier und Umwelt und nannte dies „Orientierungswissen“. Dieses sei ebenso wichtig wie Fachwissen, begründete Teufel seinen Appell, an den naturwissenschaftlichen Hochschulen die Geisteswissenschaften nicht zu vernachlässigen – und umgekehrt.

Die ethischen Grundsätze, die Menschen ein friedliches Zusammenleben ermöglichen sollen, hätten auch im wirtschaftlichen Handeln ihre Gültigkeit, so Teufel: „Ich sehe überhaupt keinen Gegensatz zwischen gutem und erfolgreichem Wirtschaften und sozialer Marktwirtschaft.“ Er erinnerte an „die größte Errungenschaft unserer Kultur und Geschichte“, den Rechtsstaat, der die Grundrechte der Menschen sichere. Doch Freiheit bedeute auch Verantwortung. Hier ging Teufel auf den kategorischen Imperativ Kants ein: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Was bedeutet, das eigene Handeln muss universalisierbar sein.

Es sei nicht verkehrt, an sich und seine eigenen wirtschaftlichen Interessen zu denken – jedoch nicht ausschließlich. Jeder habe die Verantwortung, auch an andere zu denken. Teufel hob die Bedeutung der  Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft hervor, beispielsweise für alte, kranke und behinderte Menschen und forderte: „Vorausdenken statt nachdenken!“ Er erinnerte an alte Kaufmannsregeln, an die Verantwortung von Geschäftsleuten, für die Risiken ihres Handelns selbst zu haften und daran, was schon den alten Römern wichtig war, nämlich: „Verträge sind einzuhalten.“ Teufel: „Man darf nicht Gewinne privatisieren und Verluste sozialisieren!“ Gewinnmaximierung dürfe nicht der Maßstab wirtschaftlichen Handelns sein. Ohne eine Unternehmenskultur, zu der auch Mäzenatentum und die Verpflichtung gehöre, von den eigenen Gewinnen etwas an die Gesellschaft zurückzugeben, die diese Gewinne erst ermöglicht habe, sieht Teufel schwarz für das Wohl der Menschen – nicht nur in Deutschland oder Europa, sondern weltweit. Er schloss seinen Vortrag mit dem eindringlichen Appell gegen die Sachzwänge anzukämpfen, „um uns einen Raum der freien Gestaltungsmöglichkeit zu sichern“.

Nachdem so viel gesagt war, gab es nur noch wenige Fragen aus dem Publikum. So blieb dem Moderator des Abends, Joachim Umbach, Mediendirektor bei Schwäbisch-Media, nur noch abschließend zu fragen: „Brauchen wir eine Weltwirtschaftsordnung, die sich an unserer sozialen Marktwirtschaft anlehnt?“ Teufel: „Ja, die brauchen wir! Frei ausgehandelte Verträge zwischen souveränen Staaten …………...“ Auf die Frage Umbachs nach seinem Verständnis für die griechische Bevölkerung, antwortete Erwin Teufel: „Solidarität ja – aber es kommt darauf an, wie man’s macht.“

Einen schönen Abschluss fand Erwin Teufel in seiner Antwort auf die Frage der Gastgeberin des Abends, Annemarie Strobl, Vorstand der St. Elisabeth-Stiftung, weshalb die Menschen trotz ihres hohen Lebensstandards stets nach den billigsten Angeboten strebten: „Weil das unsere Natur ist - und die ist nicht durch Politik zu ändern.“

 

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