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19.11.2015
Casa Elisa - Sozialpädiatrisches Zentrum, Ravensburg

Kleine Unstimmigkeiten fördern die Entwicklung von Kindern

RAVENSBURG – Die Individualität eines Kindes ist kein Störfaktor, sondern eine Herausforderung – das war die Grundthese eines Vortrags, den der Münchner Kinderarzt und Kinder- und Jugendpsychiater Nikolaus von Hofacker am 12. November in Ravensburg gehalten hat. Anlass war der fünfte Geburtstag des sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ), den die St. Elisabeth-Stiftung in der Spohn-Mensa feierte.

„Vom ersten Lebenstag an – und sogar schon im Mutterleib – sind die Temperamentsmuster von Kindern unglaublich vielfältig“, betonte von Hofacker zu Beginn seines Vortrags und belegte diese These gleich mit zwei Videos von Babys, die auf dieselbe Situation völlig verschieden reagieren. „Das Temperament ist etwas, das das Kind mitbringt.“ Für eine vermeintliche Störung würden aber viel zu schnell Eltern als Hauptfaktoren verantwortlich gemacht, statt die Individualität des Kindes zu berücksichtigen.
Von Hofacker plädierte dafür, sich genau diese Individualität eines Kindes genauer anzuschauen und bei Problemen zu fragen, wie gut das familiäre System in der Lage ist, mit dieser Individualität umzugehen. „Es geht um die Passung – also darum, wie gut sich Eltern auf das Verhalten ihres Kindes einstellen können. Man kann eine Störung als fehlende Passung verstehen.“ Dabei sieht er geringe Störungen sogar positiv: „Kleinere Unstimmigkeiten fördern die Entwicklung von Kindern.“ Erst „Makrostress“ – also zum Beispiel Gewalt – sei wirklich schädigend, so von Hofacker. Kleinere Störungen selbst reguliert zu haben, stärke dagegen sogar das Selbstvertrauen von Kindern. „Mut zur Lücke“ empfahl der Kinderarzt und Kinder- und Jugendpsychiater daher allen Eltern. Vernachlässigung wirke sich natürlich negativ auf die Kinder aus – aber auch die Überbetreuung durch Vater und Mutter nehme dem Kind die Chance, Selbstregulation zu lernen. Dr. Nikolaus von Hofacker hielt seinen Vortrag anlässlich des fünften Geburtstages des Ravensburger SPZ, den die St. Elisabeth-Stiftung als Trägerin der Einrichtung am 12. November in der Spohn-Mensa gefeiert hat. Das kinderärztlich geleitete SPZ arbeitet interdisziplinär und ambulant für Kinder und Jugendliche mit Entwicklungsbesonderheiten. Ziel ist das Erkennen von Entwicklungsauffälligkeiten, Erkrankungen und Behinderungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt und die Begleitung der Kinder, Jugendlichen und ihrer Familien. „Die Mütter und Väter, die mit ihren Kindern zu uns ins SPZ kommen, haben Sorgen: Ihr Kind ist anders als die anderen Kinder, es fällt im Kindergarten auf, es hängt bei den schulischen Leistungen erkennbar zurück. Nicht selten hat die Familie schon eine kleine Odyssee hinter sich“, sagte Annemarie Strobl, Vorstand der St. Elisabeth-Stiftung. „Deshalb ist ein SPZ für mich zuallererst eine Einrichtung, die Eltern Ängste nimmt. Mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die versuchen, Antworten auf die Fragen der Eltern zu geben.“ Jugendamtsleiter Konrad Gutemann vertrat den Landkreis Ravensburg bei der Jubiläumsfeier: „Wir als Landkreis sind sehr froh, dass die betroffenen Eltern seit der Eröffnung des SPZ nicht mehr so weit fahren müssen.“ Glückwunsche der Stadt zum Geburtstag überbrachte Ravensburgs erster Bürgermeister Simon Blümcke: „Mit dem SPZ stärken Sie die Gesundheitsstadt Ravensburg.“
Umrahmt wurde die Veranstaltung vom Clown „Beff“ und dem Duo Hannah Witzmann (Klavier) und Andieh Merk (Saxofon). 

 

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