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17.07.2017
Wohnen Bereich Laupheim Ehingen

Leicht ist manchmal ganz schön schwer

EHINGEN - Außergewöhnliche Herausforderung für die Bundestagskandidaten aus dem Wahlkreis Ulm...

Bei einer vom Heggbacher Wohnverbund der St. Elisabeth-Stiftung organisierten Podiumsdiskussion mussten sie ihre Antworten durchweg in einfacher Sprache formulieren. Rund 120 Besucher lockte die Veranstaltung am Dienstag, 11. Juli, in den Kleinen Saal der Lindenhalle in Ehingen.

 

Am Ende war die Ermattung im Saal deutlich spürbar. Zwei Stunden lang hatte die überaus aufmerksame Besucherschaft das Politiker-Quintett auf dem Podium mit seinen Fragen schier gelöchert. Dieses wiederum war keineswegs Antworten schuldig geblieben, aber ebenfalls zu voller Konzentration verdammt gewesen, wenn auch aus anderem Grund: Die drei Damen und beiden Herren hatten ihre gewohnte Sprachgewalt im Zaum behalten müssen. Sie sprachen, um im Bild zu bleiben, mit fest angezogenen Zügeln.

Oder, wie Moderator Wolfgang Dürrenberger, Leiter Begleitende Dienste im Heggbacher Wohnverbund der St. Elisabeth-Stiftung, in seine Einleitung als Wunsch und Bedingung einflocht: unter dem Vorzeichen von vier Regeln – kurze Sätze, keine Fremdwörter und abstrakte Begriffe, keine Redewendungen, und pro Satz jeweils nur eine einzige Aussage.

 

Keine Einschränkungen hingegen gab es bei den Inhalten. Alles durfte spontan gefragt werden, einige Fragen aber waren auch schon vorher festgehalten worden. Die Bewohner der von der St. Elisabeth-Stiftung getragenen Wohngemeinschaften in Ehingen und in Oberdischingen hatten sich über Wochen intensiv auf diesen Abend vorbereitet.

 

Eingangs ging es gleich mal um das „Bundesteilhabegesetz“, das wohl die Allermeisten der Mitarbeitenden und Bewohner der Stiftung in irgendeiner Form betrifft und das neue Chancen eröffnet. Alle Kandidatinnen und Kandidaten begrüßten das Gesetz, einigen aber ging es noch nicht weit genug, was die Rechte von Menschen mit Behinderungen betrifft. Das Publikum bedachte die Aussagen mit ähnlich starkem Beifall.

Höflich, aber auch bestimmt, so richteten mutige Mitdiskutanten aus dem Plenum ihre in Fragen gekleideten Forderungen an die Politiker. „Warum verdiene ich so wenig?“ Es ging dann ferner um die Regenwaldzerstörung, um die vielen Kriege, darum, ob auch in Deutschland Krieg möglich wäre. Warum immer alles teuer werde? Wie man erfahren könne, woher das Fleisch auf dem Teller komme? Oder warum es noch so viele „CO2-Autos“ gebe? Achtung! CO2 – Kohlendioxid. Klarer Fall, ein Fremdwort. Das ahndete Dürrenberger prompt mit seiner Warnglocke. Sie betraf wohlgemerkt die Wortmeldung eines WG-Bewohners.

Die Glocke ertönte anfangs ein paar Mal, aber bis auf diese Ausnahme immer im Verlauf der Ausführungen der Politiker. Dreimal erwischte es die Bundestagsabgeordnete Ronja Kemmer (CDU), zwei Mal den Wahlkreisbewerber Marcel Emmerich (Bündnis 90/Die Grünen), ein einziges Mal die Kandidatin Eva-Maria Glathe-Braun (Die Linke).

Dagegen kamen die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis (SPD) und FDP-Kandidat Alexander Kulitz ohne „Rüge“ davon. Nicht, weil sie sämtliche Fremdwort-Klippen souverän umschifft hätten. Sondern, weil sie immer geistesgegenwärtig genug waren, ein solches „Unwort“, sobald es rausgerutscht war, gleich hinterher in „einfachen“ Worten zu erläutern. Es brauchte nur eines kurzen Lernprozesses, und die anderen Kandidaten machten dies ebenso.

Dürrenberger war diese Anpassungsleistung natürlich ebenfalls nicht entgangen und verteilte mitten in der Veranstaltung ein dickes Lob: „Muss ja immer weniger läuten.“

Ein wenig Druck, ein wenig Übung, und schon war auch noch der Sprachduktus an die Regeln angepasst. Wobei man sich, wie sich immer wieder herausstellte, auch in einfachen Sätzen ganz schön kompliziert ausdrücken kann. Nicht nur einmal sah sich der Moderator genötigt, einen Knäuel aus kurzen Sätzen zu entwirren und den Kern der Botschaft in ein, zwei Sätzen zusammenzufassen. Ständige Übung macht eben auch hier den Meister.

Dürrenberger sah im Übrigen einen über den Abend hinausgehenden Nutzen der gemeinsamen Übung: „Auch andere Menschen werden es ihnen danken, wenn Sie ihre Politik in einfacher Sprache erklären können.“ Sehr angetan vom Verlauf des Abends, der eine Wiederauflage einer Veranstaltung von vor vier Jahren war, zeigte sich Gastgeberin Sonja Gaißmaier, Leiterin des Wohnbereiches Laupheim/Ehingen der St. Elisabeth-Stiftung: „Danke, dass Sie sich darauf eingelassen haben. Sie haben das sehr gut gemacht.“

Musikalisch umrahmt wurde die Diskussion durch Beiträge der Band „African Drums und die Rasselbande“, die sich aus Bewohnern und Mitarbeitern des Ehinger Marianna-Bloching-Hauses zusammensetzt. „Get up, stand up“, hieß ihr letztes Stück, „steh’ auf für deine Rechte….“ Anwesend war auch ein Kamerateam des SWR, das für einen Beitrag in den Landesnachrichten drehte.

 

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