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02.11.2016
SES Dienstleistungen & Markt Ulm

Tüfteln statt wegwerfen – 770 Einsätze

ULM - Vor zwei Jahren hat das Reparatur-Café Ulm, ein Angebot des Heggbacher Werkstattverbunds, in der Magirusstraße 28 erstmals seine Pforten geöffnet. „Es ist unglaublich, was unsere ehrenamtlichen Spezialisten seither alles bearbeitet haben“, staunt Leiter Bernhard Mittl und listet 770 Helfereinsätze und über 2300 Arbeitsstunden auf.

Mit einem Grillfest hat sich das Reparatur-Café Ulm bei seinem rund 60 Köpfe umfassenden Helferkreis bedankt, der seit dem einjährigen Jubiläum weiter gewachsen ist. Mit dabei sind Diplomingenieure und EDV-Spezialisten ebenso wie Lehrer und Handwerker, Pensionäre ebenso wie Studenten. Alle 14 Tage stellt die technik-affine Truppe in unterschiedlicher Besetzung und Stärke ihre Kenntnisse für die Reparatur defekter Dinge zur Verfügung. Meist für technische Gerätschaften, aber auch Textilien und Fahrräder sind dabei.

An diesem Abend ist es etwa ein Induktionskochfeld, das hinterher unter den „erledigten Fällen“ seinen Niederschlag findet. Simon Stephany, Ingenieur der Elektrotechnik und fast von Anfang an mit dabei, hatte sich seiner angenommen und den entscheidenden Tipp gegeben. Der Einbau des vom Besitzer zwischenzeitlich besorgten Ersatzteils war kein Problem. Bei einem „antiken“ Kassettenrekorder tat es gar nur ein wenig Kontaktspray. Ein verstummtes Röhrenradio aus der jungen Bundesrepublik und ein famos altmodisches Telefon aus DDR-Produktion, Baujahr 1958, waren an diesem Abend die ältesten Stücke. Im „Nähstübchen“ wurden zwei Nähmaschinen wiederbelebt. Im nächsten Abteil wartete ein Fahrrad im Halteseil, dessen Gangschaltung Probleme bereitete. An allen Tischen wird an den Tagen des Reparatur-Cafés gelötet, geschraubt, gemessen und geprüft. Die Geduld der Experten ist ansteckend. In diesen Räumen bleibt die Hektik des Alltags draußen vor der Tür.

Als härtere Nuss entpuppte sich ein noch etwas jüngerer Handmixer, den die Neu-Ulmerin Barbara Hintze zur Untersuchung mitbrachte. Er rührte (sich) einfach nicht mehr. Da bedurfte es einiger Kniffs und eines speziellen Werkzeugs, bis es Manfred Geiger gelungen war, das Gehäuse zu öffnen. Für den ehemaligen Telefunken-Techniker einer jener typischen reparaturunfreundlichen Fälle: „Manche Geräte sind bewusst so gestaltet, dass man als Amateur nicht rankommt – meistens neuere.“ Vieles, was noch zu gebrauchen wäre, landet folglich einfach auf dem Müll. Das Wegwerf-Karussell zu verlangsamen, ist die Hauptintention des Reparatur-Cafés, erläutert Leiter Bernhard Mittl, Mitarbeiter der St. Elisabeth-Stiftung, die das Reparatur-Café in ihren Räumlichkeiten in der Ulmer Weststadt betreibt. Das Budget, das sich auf knapp 15.000 Euro im Jahr beläuft, werde über Spenden und Sponsoren gedeckt. Bestritten werden daraus der kleine Obolus für die Helfer sowie der Einkauf von Werkzeug.
Leerlauf hat es in den zwei Jahren nie gegeben, eher mitunter einen solchen Andrang, dass Besucher auf die nächsten Termine vertröstet wurden. Deren Motive sind im Übrigen höchst unterschiedlich: Es gibt die „Bewussten“, die wegwollten von der Wegwerfgesellschaft. Und diejenigen, die mit jedem Cent rechnen müssten.

Dass sich der Einsatz gelohnt hat, geht allein schon aus der internen Statistik hervor. 60 Prozent der bislang insgesamt 1700 Reparaturanfragen wurden erfolgreich erledigt. Bei weiteren 15 Prozent half eine Empfehlung weiter. Nur bei einem Viertel mussten die Helfer passen. Das Reparatur-Café ist weitaus mehr denn bloße Service-Station. Wie andere Cafés auch ist es ein Stadtteil-Treff. Manche Besucher schauen einfach nur vorbei, um für ein paar Stunden ihrer Einsamkeit zu entfliehen, hat Mittl beobachtet. „Zu uns kommen Jung und Alt, Arm und Reich“, freut sich der Leiter, der das „Zusammensein“ bei Kaffee und Kuchen als Qualität an sich betrachtet.

Das Reparatur-Café Ulm in der Magirusstraße 28 hat 14-tägig – außer in den Ferien – mittwochs von 17 bis 20 Uhr geöffnet. Mehr über das Projekt erfahren Sie unter Telefon 0731 4034652 oder auf der Homepage www.reparatur-cafe-ulm.de

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