Was hat der Film „Wie Gott uns Schuf“ #OutinChurch bei Ihnen ausgelöst?
Ich war begeistert von der Offenheit der Interviewpartner, für die es sicher nicht einfach war, sich auf diese Weise zu outen. Ich war auch schockiert über manche Erzählungen, wie die der beiden Damen, die viele Jahrzehnte heimlich ein Paar sein mussten. Ich finde es erschreckend, dass die katholische Kirche, deren oberstes Credo die Nächstenliebe und die Seelsorge ist, nach wie vor definiert, was „richtige Liebe“ ist - also nur die zwischen Mann und Frau.
Gab es Szenen, in denen Sie sich wiedererkannt haben?
Ich selbst bin evangelischer Christ - was nicht heißt, dass in der evangelischen Kirche queere Menschen zu 100 Prozent akzeptiert sind. Mein Mann und ich haben 2020 geheiratet. Wir stießen jedoch auf eine Hürde: Während in weiten Teilen Deutschlands in den evangelischen Landeskirchen eine Segnung für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet wurde, ist dies in der Landeskirche Württemberg leider nicht möglich. Wir entschieden uns für die Evangelische Kirche in Bregenz in Österreich, wo wir herzlichst aufgenommen wurden und eine wundervolle Trauung hatten.
Sie bekennen sich offen und offensiv zu Ihrer Homosexualität und zu Ihrem Partner – warum ist Ihnen das wichtig?
Zu lange mussten sich Menschen, die anders leben oder lieben, verstecken. Ich möchte mit meinem Mann wie jedes Paar händchenhaltend in der Öffentlichkeit spazieren oder ihm auch mal einen Kuss geben dürfen - ohne kritische Blicke, Bemerkungen oder gar körperliche Übergriffe.
Was haben Sie selbst bisher erlebt?
Ich hatte anfangs - auch wenn ich schon lange gemerkt habe, dass ich homosexuell oder zumindest bi-sexuell bin - ausschließlich weibliche Freundinnen. Die längste Beziehung zu einer Frau dauerte zwei Jahre. Meine Freundin ist allerdings nach diesen zwei Jahren an Krebs verstorben. Die Situation brachte mich in eine tiefe Krise und ich fasste den Entschluss: „Jetzt ist es genug mit dem Versteckspiel“. Jetzt liebe ich, wen ich will. Die meisten Menschen haben darauf offen reagiert haben und mögen mich genau so, wie ich eben bin. Ein kleiner Teil der Familie hat sich aber von mir zurückgezogen.
Hatten Sie Vorbehalte, als Sie sich bei der St. Elisabeth-Stiftung beworben haben?
Nein, die hatte ich nicht. Ich habe mich beworben, da ich gehört hatte, dass ein neues Hospiz eröffnet. Mit den christlichen Werten der St. Elisabeth-Stiftung kann ich mich sehr gut identifizieren.
Was nehmen Sie in der Stiftung in Bezug auf ihren Umgang mit Vielfalt wahr?
Schon in der Infomappe für neue Mitarbeitende war die Broschüre „St. Elisabeth-Stiftung in Vielfalt“ beigelegt. Dies hat mir bereits gezeigt, dass ich auch als gleichgeschlechtlich lebender und liebender Mensch herzlich aufgenommen bin.
Welche Erfahrungen haben Sie in Ihrem Team im Hospiz Ursula gemacht?
Ausschließlich gute. Ich habe von Beginn an kein Geheimnis um meine Homosexualität gemacht. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen interessieren sich dafür, was ich als homosexueller Mensch bereits erlebt habe. Ich denke, sie finden es gut, dass ich offen darüber spreche und sie mich fast alles fragen können. Gegenüber Gästen oder Besucherinnen und Besuchern oute ich mich natürlich nicht sofort - es geht ja schließlich nicht um meine Sexualität, sondern um mich als Pflegefachkraft und um das Ziel, die uns anvertrauten Menschen am Ende ihres Lebens so gut wie möglich zu begleiten.
Was ist Ihre Botschaft an Menschen, die Schwierigkeiten mit Homosexualität und queeren Lebensformen haben oder diese sogar ablehnen?
Es spielt keine Rolle, wen man liebt und wie man liebt. Liebe bedeutet Vielfallt. Es geht niemanden etwas an, wie man liebt - damit meine ich natürlich legale Liebe zwischen Erwachsenen, bei der jeder weiß, was er tut und dies freiwillig. Wie ich lebe und wen ich liebe, sagt nichts über mich als Person aus. Man soll mich an dem messen, was ich tue oder nicht tue und nicht an meiner geschlechtlichen Identität.
Was wünschen Sie sich in der Zukunft von der Kirche?
Ich wünsche mir vonseiten der Kirchen deutlich mehr Offenheit und Toleranz sowie klare Gleichberechtigung. Damit meine ich nicht nur Menschen der LGBTQ+++, sondern auch andere Menschen, die meiner Meinung nach nicht gleichbehandelt werden – zum Beispiel Frauen. Eine Gleichstellung von LQBTQ+++ Paaren und heterosexuellen Paaren halte ich für existenziell. Auch finde ich die Situation der transsexuellen Menschen schwierig: Sie können gesetzlich ihr Geschlecht ändern - für die Kirche gilt aber das Geschlecht, das bei der Geburt festgelegt wurde. Das führt zu Heimlichtuerei – und gerade in dieser erzwungenen Heimlichkeit sehe ich ein gewaltiges Problem.
Was wünschen Sie sich in der Zukunft von der St. Elisabeth-Stiftung?
Ich finde, die St. Elisabeth-Stiftung lebt Vielfalt, auch schon vor #outinchurch. Ich habe bisher keine negativen Erfahrungen gemacht. Ein Punkt fällt mir jedoch ein: Vonseiten der St. Elisabeth-Stiftung gibt es einen Tag Sonderurlaub für die kirchliche Trauung, nicht jedoch für die standesamtliche Trauung. Katholische queere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können nicht kirchlich heiraten. Ich denke, es wäre fair, allen Mitarbeitenden zur standesamtlichen Trauung einen Tag Sonderurlaub zu schenken.