„Man wird immer wieder überrascht vom Leben.“ Dieser Satz sagt sich leicht dahin. Wenn ihn aber Oliver Bürner sagt, ist er bitterer Ernst. 2014 hat der heute 55-Jährige Nagolder seine erste Krebsdiagnose bekommen. Was folgte, war eine lange Zeit mit Operationen, Chemotherapie, Medikamenten – und Hoffnung: „Nach neun Jahren dachten alle: Da kommt nichts mehr.“
Aber der Krebs kam doch zurück – schlimmer als je zuvor und in einer zweiten Variante: „Zum Adenokarzinom kam ein neuroendokrines Karzinom“, Oliver Bürner ist über das vergangene Jahrzehnt hinweg zwangsweise zum Onkologie-Experten geworden. Als solcher weiß er aber auch, dass sein Körper dieses Mal den Kampf verloren hat: Mischtumoren aus beiden Krebsarten haben an vielen Stellen Metastasen gebildet. In den letzten 16 Monaten hatte Bürner 14 Mal einen Darmverschluss und wieder mehrere Operationen. Erneut in die Chemo? „Das wollte ich nicht noch einmal durchmachen“, sagt er.
Heute arbeitet der Darm von Oliver Bürner nicht mehr. Er bringt viel Zeit im Bett zu, bewegt sich meistens im Rollstuhl, lebt mit einer Ablaufsonde im Magen und mit einer PCA – einer Pumpe, die ihn dauerhaft mit Morphin versorgt. Wenn die Schmerzen trotzdem zu stark werden, kann sich Bürner selbst schnell Linderung verschaffen: ein Druck auf einen blauen Knopf bringt ihm eine Extra-Dosis des Opiats.
„Eine gute Schmerztherapie ist ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit. Es geht dabei immer um die Lebensqualität unserer sterbenskranken Gäste“, sagt Simone Grünke. Die Palliativ-Spezialistin ist Pflegedienstleitung im Hospiz St. Michael in Nagold. Am 7. Juli ist Oliver Bürner hier eingezogen.
Das ging nicht von heute auf morgen. „Beim Thema Hospiz habe ich zuerst an Klöster und dicke Mauern gedacht“, gibt Oliver Bürner zu. „Aber zum Glück gibt es ja das Internet.“ Er recherchierte ausgiebig. „Und als meine Ärztin gefragt hat `Wäre ein Hospiz nicht etwas für Sie?´ - da war ich vorbereitet.“ Seine Entscheidung hat er nicht bereut: „Ich habe mich hier vom ersten Tag an willkommen und geborgen gefühlt.“
Oliver Bürner hat eine Gabe: Er kann frei und ohne Vorbehalte über seine Situation sprechen. „Wie lange es noch geht? Zwischen sechs Tagen und sechs Jahren habe ich alles gehört“, meint er. „Schon vor Jahren gab es Ärzte, die verwundert waren, dass sie mich noch einmal wiedergesehen haben. Ich bin ein Kämpfer - und ich möchte anderen Menschen Mut machen.“ Sein Motto: „Ich denke nicht darüber nach, wie lange es noch geht – ich will einfach glücklich sein.“