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01.02.2007
Fachdienst Offene Hilfen, Ehingen

Mutige Schritte in die Selbstständigkeit

Ein Projekt der Heggbacher Einrichtungen ermöglicht Menschen mit Behinderungen ein selbstständiges Leben in den eigenen vier Wänden. Den Schritt in die Eigenständigkeit nach einem oft langjährigen Aufenthalt in einer stationären Einrichtung zu wagen, erfordert Mut. Albert Weißbrodt und Joachim Stelzle haben es mit Erfolg gewagt.

„Fast 35 Jahre war ich im Heim – aber jetzt bin ich froh, dass ich diesen Schritt gewagt habe“: Joachim Stelzle sitzt in seinem Wohnzimmer des Hauses in der Laupheimer Fockestraße. Gemütlich sieht es dort aus – eine große Couchgarnitur und eine große Schrankwand aus Holz dominieren den Raum, das Gesteck auf dem Couchtisch passt zur Jahreszeit. Vor einem halben Jahr haben Stelzle, 40,  und der befreundete Albert Weißbrodt, 43 Jahre alt, das Haus bezogen – für beide sind es die ersten eigenen vier Wände ihres Lebens. Zuvor haben sie einen Großteil ihres Lebens in stationären Einrichtungen verbracht, zuletzt lebten sie auf einer Außenwohngruppe der Heggbacher Einrichtungen in Ingerkingen. „Es ist prima, für sich zu sein – aber es ist auch anstrengender“, berichtet Weißbrodt. Denn Waschen, Putzen und Kochen, die alltäglichen Haushaltsarbeiten eben, warten auf die beiden Landschaftsgärtner, nachdem in der nahe gelegenen Werkstatt für behinderte Menschen Feierabend ist.

Ermöglicht hat das selbstständige Leben der beiden Männer das Projekt „Wohnen in der Gemeinde“ der Heggbacher Einrichtungen. Carmen Genal leitet das seit Oktober 2005 laufende Projekt, das in Baden-Württemberg Modellcharakter hat. Der Erfolg spricht für sich: 17 Menschen mit geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen führen mittlerweile dank des Projekts ein selbstständiges Leben in ihren eigenen vier Wänden. Möglich macht dies ein Mix verschiedener Hilfen, bei der das ambulant betreute Wohnen der Heggbacher Einrichtungen und des Gemeindepsychiatrischen Zentrums der Caritas, die Sozialstation Rottum-Rot-Iller und Nachbarschaftshelferinnen der Region zusammenarbeiten. „Die Voraussetzungen der Menschen, die an unserem Projekt teilnehmen, sind ganz unterschiedlich“, berichtet Carmen Genal. Wichtig sei es, den „Hilfe-Mix“ speziell auf die Bedürfnisse der Menschen anzupassen. Bei Joachim Stelzle und Albert Weißbrodt hilft etwa eine Familienpflegerin der Sozialstation einmal in der Woche bei der Essensplanung und dem Einkauf. Bei schriftlichen und organisatorischen Dingen, etwa Anträgen an Behörden, Post- und Bankformularen und vielem mehr unterstützt Sandra Schlachter von den Offenen Hilfen der Heggbacher Einrichtungen die zwei Männer. „Wir besprechen jeden Fall sehr ausführlich und legen dann die passenden Maßnahmen fest“, berichtet Carmen Genal aus der Arbeit des Projekts. Bis September 2008 ist die Dauer des Projekts, das von der Universität Tübingen wissenschaftlich begleitet wird, festgelegt. „Bis dahin wollen wir feste Strukturen aufbauen und die Vernetzung der Dienste so weit vorantreiben, dass eine spezielle Projektleitung nicht mehr nötig ist“, sagt Carmen Genal. Sie rechnet mit einer größeren Nachfrage: Ein individuell zusammengestellter Hilfe-Mix, der passgenau auf die Bedürfnisse des Menschen mit Behinderung abgestimmt ist, ermögliche es jetzt auch Menschen mit einem höheren Hilfebedarf, den Schritt in ein eigenständigeres Leben zu wagen, sagt Genal. Eine wichtige Rolle beim „Wohnen in der Gemeinde“ spielen die Nachbarschaftshelferinnen, die bei der Caritas Biberach von Thomas Münsch koordiniert werden. „Die Nachbarschaftshelferinnen sorgen für den Kontakt zur Gemeinschaft, in der die Projektteilnehmer leben“, sagt Genal. Kirchen und Vereine seien ebenfalls wichtige Faktoren, um die Integration der Menschen mit Behinderungen in ein neues Umfeld zu gewährleisten. Auch Joachim Stelzle und Albert Weißbrodt denken zurzeit darüber nach, einem Verein beizutreten. „Im Schützenverein wäre ich gerne Mitglied“, sagt etwa Joachim Stelzle. Nach dem Gespräch über ihre Situation wartet im Übrigen noch etwas Arbeit auf die beiden Männer: Das abendliche Vesper mit Käse und Brot will gerichtet sein.

 

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