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29.01.2010
Fachdienst Bildung und Entwicklung, Heggbach

Gedenkgottesdienst für die 265 Opfer aus Heggbach und Ingerkingen

HEGGBACH (cf) – 265 Menschen mit Behinderung wurden Opfer des Naziregimes: 193 Erwachsene aus Heggbach und 72 Mädchen und Buben aus Ingerkingen wurden 1940 deportiert und in Grafeneck ermordet. Mit einem Gedenkgottesdienst in der Kirche St. Georg im Hag erinnerten sich der Opfer am Mittwochnachmittag rund 160 Betreute und Mitarbeiter des Heggbacher Wohn- und Werkstattverbundes sowie Interessierte aus umliegenden Gemeinden.

 

Zweifellos ein schwarzes Kapitel in der Geschichte des heutigen Heggbacher Wohn- und Werkstattverbundes, das man aber nicht totschweigen möchte. Im Gegenteil: Jedes Jahr erinnert man sich in Heggbach am 27. Januar bewusst der eigenen Opfer des Holocaust.

Zum 70. Jahrestag waren am Mittwochnachmittag auch die Bürgermeister Elmar Braun aus Maselheim und Günther Karremann aus Schwendi sowie Sozialdezernentin Petra Alger, als Vertreterin des Biberacher Landrats Heiko Schmid, erschienen. Sr. Mirjam Engst vom Pastoralen Dienst im Heggbacher Wohnverbund, und Cornelia Haid vom Fachdienst Bildung und Entwicklung hatten zusammen mit den Praktikanten der Behindertenhilfe die Gedenkstunde vorbereitet. Musikalisch einfühlsam umrahmt vom Heggbach Quartett, unter der Leitung von Claus Machleidt, wurden Briefe der betroffenen Angehörigen vorgetragen und durch Gesang, Gebet und Fürbitten begleitet.

Jedes Jahr fahren die neuen Praktikanten und Praktikantinnen zusammen mit dem Fachdienst Bildung und Entwicklung nach Grafeneck, in das ehemalige Jagdschlösschen, das 1940 von den Nazis zur Tötungsanstalt umfunktioniert wurde. Cornelia Haid machte deutlich, dass Erinnern ein aktiver Prozess sei. „Wir sollten uns immer wieder aufs Neue besinnen, dass die Würde des Menschen unantastbar bleibt." Sie berichtete von den Fahrten nach Grafeneck, wo heute am gleichen Ort der ehemaligen Gaskammern wieder Menschen mit Behinderungen leben und arbeiten.

Adolf Ilg, Leiter des Heggbacher Wohnverbunds, unterstrich, wie wichtig die Aufarbeitung der Geschichte in Heggbach seit jeher genommen wurde. Mehrere Dokumentationen sind im Laufe der Jahre erschienen, vor allem unter Initiative des früheren geistlichen Leiters Pfarrer Alfons Waibel. Ilg zitierte ihn mit den Worten: „Wir können nicht gut machen, was an den Toten geschehen ist, aber wir sollen versuchen, an den jetzt Lebenden gutzumachen, was wir an den Toten nicht gutmachen können."

Adolf Ilg sensibilisierte mit Erkenntnissen von Professor Wolf Wolfensberger für die heutige alltägliche Missachtung des Lebens: Die Pränatale Diagnostik beispielsweise führe dazu, dass Kinder mit Trisomie 21 heute kaum mehr geboren werden. Alte und kranke Menschen werden in Krankenhäusern und Altenheimen nicht immer menschenwürdig behandelt und gepflegt. Im Hinblick auf dieses traurige Kapitel in der Geschichte von Heggbach und Ingerkingen meinte er daher: „Wir brauchen diese Erinnerung und müssen sie wach halten, damit sich so etwas nicht wiederholt." Wir sollten entschieden Position beziehen gegen Systeme, die Töten verharmlosen und verdecken.

In der Heggbacher Kirche wurde 1992 ein rotes Fenster eingeweiht – als „Blutband" zur Erinnerung an die schrecklichen Ereignisse von 1940. Im Laufe des Gottesdienstes wurden von den Besuchern Kerzen aufgestellt, die vom Altar bis zu dieser Gedenkstätte reichten. Es waren am Ende genau 265, für jedes Menschenleben eine Kerze. Das Lichtermeer machte erst deutlich, wie viel Menschen mit Behinderung Opfer wurden.

 

 

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