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14.11.2018

„Das ist für mich Kirche: hingehen!“

LAUPHEIM – Volles Haus im Kulturhaus Schloss Großlaupheim: 650 Beucher sind am Montagabend gekommen, um den bayerischen Pfarrer und Bestsellerautor Rainer Maria Schießler zu hören – und um Kindern und Jugendlichen mit Behinderung optimale Bildungschancen zu ermöglichen. Über 20.000 Euro fließen nun in die Therapieräume im Neubau der Schule St. Franziskus in Ingerkingen.

„Hier wird jeder Schüler auf seine Weise gefördert“, mit diesen Worten stellte die Moderatorin des Benefizabends, Helga Reichert, die Schule St. Franziskus der St. Elisabeth-Stiftung vor. Die Schauspielerin, die von ihrem Mann Adrian Kutter die Intendanz der Biberacher Filmfestspiele übernehmen wird, engagiert sich als Patin für den Schulneubau – aus Überzeugung: „Jeder Mensch hat seine Talente.“ Welche Talente das sind, zeigten die BeatKids aus Ingerkingen mit mitreißenden Auftritten – mit den Kindern und Jugendlichen der Rock- und Pop-AG der Schule St. Franziskus klatschten sich die Besucher warm für den Benefizabend.

Auch Pfarrer Schießler war begeistert – er war nicht bloß nach Oberschwaben gekommen, um eine Show herunterzureißen. Schießler hatte sich den Morgen Zeit genommen, um die Schule kennenzulernen. Den ersten Eindruck bot der Morgenkreis: „Eine tolle Stimmung – wenn es uns doch allen gelingen würde, so wie die Schüler und Lehrer dort den Tag zu begrüßen …“ Das Fazit: „Eine Gesellschaft, die hier ausklammert, ist krank.“

Das ist der Pfarrer Schießler, wie er am Abend auch vor sein Publikum im Kulturhaus Schloss Großlaupheim trat: meinungsstark, streitbar, authentisch. Schießler versteht sich darüber hinaus in einer großen Kunst: Humor, bisweilen sogar bayerisch-derb, mit tiefen Erkenntnissen und klaren Botschaften zu verbinden – ganz bodenständig und ohne gekünstelt zu wirken. Da können eine Zote und eine tief Glaubenserfahrung ganz nah beieinander liegen.

Von seinen ganz individuellen Begegnungen mit Gott erzählt der Priester, der als Buchautor und Talkmaster längst über die Grenzen seiner Münchner Pfarrgemeinde hinaus bekannt ist. Zum Beispiel, wie er sich als Zehnjähriger gleich beim ersten Einsatz als Ministrant übergeben (das formuliert Schießler natürlich anders) musste. Wie er sich dafür vom Mesner statt Anteilnahme schlimme „Watschn“ einfing. Wie er danach todunglücklich daheim auf dem Sofa lag: „Ich wollte sterben.“ Und wie ihn völlig unerwartet der Pfarrer aus der Situation rettete – mit echter Anteilnahme und einem lockeren Spruch: „Er war der einzige, der heute für den lieben Gott alles gegeben hat.“ Das ist natürlich beim Publikum ein großer Lacherfolg, aber eben auch eine Szene, die dafür steht, wofür Schießler eintritt: Eine Kirche, die sich kümmert, die Menschen nicht fallenlässt oder gar aussondert. „Das ist für mich Kirche: zu den Menschen hingehen!“

Der Pfarrer verbirgt es nicht, auch als ihm später Schülersprecher Sebastian Reiser und Helga Reichert auf dem Podium Fragen stellen, die viele Menschen bewegen: Zölibat, Ausschluss von Homosexuellen, Umgang mit Geschiedenen, Frauen im Priesteramt – es gibt so Manches, wo Schießler mit Entscheidungen seiner Kirchenoberen hadert und das auch lauthals verkündet: „Wir müssen sich Menschen fühlen, die wir ausschließen!“ Aber er ist keiner, der davonläuft: „Ich kritisiere nie die Kirche, ich kritisiere in der Kirche.“

Der 58-Jährige hat ein tiefes Vertrauen in Gott, das ihm von seinen Eltern mit auf den Weg gegeben wurde. Dieses Vertrauen leidet auch nicht, wenn er tief berührend von Anna berichtet. Das kleine Mädchen mit seiner schweren genetischen Störung lag im Sterben, Schießler wurde zur Nottaufe gerufen. Auch er fragt in diesem Moment: „Gott, was erlaubst Du Dir?“ Aber an ihrem Bett kniend: „Als ich in ihre Augen gesehen habe, habe ich Gott gesehen.“

Wer den Pfarrer erlebt, wundert sich nicht, dass seine Gottesdienste voll sind: „Ich möchte nicht mit Leuten Gottesdienst feiern, die müssen. Ich freue mich über die Leute, die kommen, weil das ihr Leben ist.“

Seine Zuhörer in Laupheim dankten ihm diese und andere Botschaften mit lang anhaltendem Applaus. Dafür dass der Abend für die Schule St. Franziskus ein voller Erfolg wurde, sorgten zahlreiche Spender: An der Spitze spendeten die Musikkapelle Kirchen 1.000 Euro, die Firma Sanitär Müller und Stumpf 3.000 Euro und Firma Utz Lebensmittel 7.000 Euro. Spontan rundete Pfarrer Schießler die Schecksummen großzügig um 4.000 Euro aus seinem Säckel auf. Zusammen mit den Geldern aus Eintritt, Bewirtung und der Versteigerung von sieben von Schülern von St. Franziskus gestalteten „Bau(m)arbeitern“ kamen über 20.000 Euro für die neuen Räume in der Schule St. Franziskus zusammen.

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