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20.07.2022
Offene Hilfen

Sprung in die Selbständigkeit

OCHSENHAUSEN – Alleine Aufstehen, Waschen, Frühstücken, für die Arbeit richten und los: Was für viele Menschen ein ganz normaler Start in den Tag ist, hat sich Jürgen Stützle Stück für Stück erarbeitet. Von Kindesbeinen an sitzt der 53-Jährige im Rollstuhl und war lange Zeit auf ständige Hilfe angewiesen. Vor gut zehn Jahren schaffte er den Sprung ins Ambulant Betreute Wohnen (ABW) und lebt seither in der eigenen Wohnung in Ochsenhausen – dort bekommt er bei Bedarf Unterstützung von Mitarbeitenden der Offenen Hilfen der St. Elisabeth-Stiftung.

Jürgen Stützle öffnet seine Türe, nachdem es geläutet hat, und lässt den Besucher freudig herein. Vor einer halben Stunde ist er von seiner Arbeit in der WfbM Heggbach nach Hause gekommen, hat sich etwas ausgeruht und in seinem Lieblingsmagazin, einer Fußball-Lektüre, gelesen. Jürgen Stützle ist Fußball-Fan. Sein Herz schlägt für Werder Bremen und die Sportfreunde Bronnen, deren Spiele er immer wieder gerne besucht.

Auch jetzt, nach Feierabend, ist er bereit für Abwechslung: für ein Treffen mit Freunden zum Abendessen in einem Café zum Beispiel - oder eben für ein Gespräch zu Hause. Das selbständige Leben in den eigenen vier Wänden hat ihm ganz neue Möglichkeiten eröffnet, die ihm die Wohngemeinschaft im Haus St. Antonius in Laupheim nicht bieten konnte.

Von dort ist er 2008 ins ABW nach Ochsenhausen umgezogen und gehört damit zu mittlerweile 105 Menschen mit Behinderung, die dieses Angebot wahrnehmen. Die Zahl steigt ständig: Neben Ochsenhausen bieten die Offenen Hilfen der St. Elisabeth-Stiftung ABW mittlerweile in Ehingen, Biberach, Laupheim, Riedlingen, Mietingen, Baltringen, Untersulmetingen und Heggbach an.

Jürgen Stützle wohnt gemeinsam mit Sascha Broze in einer barrierefreien Drei-Zimmer-Wohnung mitten in der Stadt. Jeder der Männer hat sein eigenes Zimmer, dazu teilen sich die beiden eine geräumige Wohn-Ess-Küche. „Wir sind ein gutes Team und ergänzen uns prima“, freut sich der Stützle über seinen Mitbewohner, der auch Unterstützung benötigt, aber nicht im Rollstuhl sitzt. So geht Sascha Broze beispielsweise zum Einkaufen im Ort, während sich Jürgen Stützle mehr um die Organisation ihrer Wohngemeinschaft kümmert. Viele Erledigungen machen sie aber auch gemeinsam.

Seine tägliche Routine bewältigt Jürgen Stützle weitgehend selbstständig. Nach dem Aufstehen setzt er sich in seinen Rollstuhl, wäscht sich, zieht sich an, frühstückt und ruft den Fahrdienst, damit ihn dieser zur Arbeit nach Heggbach fährt. Dort ist er unter anderem an der Herstellung von Teilen für Hochdruckreiniger der Firma Kränzle beteiligt. Nach der Arbeit fährt ihn der Fahrdienst von den Maltesern wieder nach Hause.

Ganz ohne Unterstützung kommt Jürgen Stützle aber nicht aus. „Behördengänge, Arztbesuche, Gerichtstermine, Gespräche mit dem Landratsamt – da sind wir zur Stelle“, erläutert Dajana Hoffmann, innerhalb der Offenen Hilfen der St. Elisabeth-Stiftung Abteilungsleitung für das ABW Süd Biberach. „Unser Einsatz beginnt da, wo Menschen aufgrund ihrer Behinderung selbst nicht mehr weiterkommen.“ Das kann auch die Vermittlung von anderen Dienstleistungen sein: Bei Bedarf an Pflegeleistungen kommt zum Beispiel die Sozialstation ins Haus.

Die Unterstützung der Mitarbeitenden des ABW richtet sich ganz nach dem individuellen Bedarf der einzelnen Bewohnerinnen und Bewohner. Da ist Flexibilität gefragt: „In gewisser Weise sind wir Mädchen für alles und erledigen, was eben ansteht“, meint Dajana Hoffmann. Und wenn tatsächlich mal nichts ansteht, dann ist beim wöchentlichen Besuch einfach Zeit für ein Gespräch.

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