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21.06.2023

Pflege darf kein Schattendasein fristen

BAD WALDSEE – Am heutigen Protesttag „Alarmstufe Rot“ der Krankenhäuser wurden viele Themen angesprochen, die nicht nur die Mitarbeitenden, Patienten und Träger von Krankenhäuser belastet. Ein Sozialunternehmen wie die St. Elisabeth-Stiftung muss sich den gleichen Herausforderungen stellen wie die Krankenhausgesellschaften. Daher darf es aus Sicht von Vorständin Andrea Thiele nicht mehr sein, dass die Pflege bei allen wichtigen Themen in der zweiten Reihe sitzt. So nutzt sie das Interesse am Aktionstag der Krankenhäuser, um noch einmal detailliert auf die Probleme in der Alten- und der Behindertenhilfe hinzuweisen.

„Die Inflation hat uns und vor allem die Seniorinnen und Senioren in unseren Wohnparks sowie die Menschen in den Wohngemeinschaften der Teilhabe genauso hart getroffen wie die Kollegen in den Krankenhäusern. Dazu kommen immer steigende Investitionskosten, da wir aufgrund der Landesheimbauverordnung gezwungen sind, nur noch Einzelzimmer in unseren Wohnparks vorzuhalten. Darüber hinaus läuft die Finanzierung in der Teilhabe über das inzwischen bei uns teilweise umgesetzte Bundesteilhabegesetz in vielen Kommunen und Städten nur schleppend“, beschreibt Andrea Thiele zunächst einmal in groben Zügen.


Eines der großen Problemfelder sowohl in den Krankenhäusern als auch in den Pflegeeinrichtungen sind die enormen Kosten, die durch Arbeitnehmerüberlassungen entstehen. Bedingt durch den fortschreitenden Fachkräftemangel sind die Einrichtungen oftmals gar nicht mehr in der Lage, ohne Leiharbeit den täglichen Betrieb aufrecht zu erhalten. Dies gilt für Krankenhäuser wie für Pflegeeinrichtungen. Doch anders als die Krankenhäuser, die spätestens seitdem neuesten Pflegeunterstützungs- und entlastungsgesetz (PUEG) ihre Kosten für Leiharbeit refinanziert bekommen, ist dies für einen Träger wie der St. Elisabeth-Stiftung nicht möglich. Im vergangenen Jahr sorgte dies in der Stiftung für eine finanzielle Belastung von 2,7 Millionen Euro, die nicht refinanziert wurden. Hier braucht es schnellstens verbindliche Lösungen über die Krankenhäuser hinaus.


Die Generalistische Ausbildung wurde vor einigen Jahren als entscheidende Aufwertung der Ausbildung auch in Pflegeeinrichtungen gefeiert. Grundsätzlich hat sich daran auch nichts geändert. Die aktuellen Problematiken mit dem Ausbildungsplan haben sich erst im Laufe der Umsetzung dieser Ausbildung ergeben. So sehen die Auszubildenden der St. Elisabeth-Stiftung im Rahmen der Ausbildung ihren späteren Arbeitsplatz eher selten. Die Außeneinsätze (ambulant/stationär/akut) ziehen sich durch alle drei Jahre und besonders im dritten Ausbildungsjahr werben die Krankenhäuser oft die Auszubildenden aus den Pflegeeinrichtungen ab. Dies gelingt vor allem dadurch, dass in den Krankenhäusern immer noch eine noch bessere Entlohnung möglich ist. „Ausbildung ist für uns eine der besten Möglichkeiten selbst etwas gegen den Fachkräftemangel zu tun. Wenn uns dann aber immer wieder Auszubildende abgeworben werden und wir aufgrund der Systematik der Generalistik kaum persönliche Beziehungen zum Auszubildenden aufbauen konnten und dieser Abwerbung meist hilflos gegenüberstehen, dann muss sich auch hier im System dringend etwas ändern“, beschreibt Andrea Thiele ein weiteres Problemfeld.


Neben dieser differenzierten Sichtweise bei einigen Themen gibt es auch gemeinsame Kritikpunkte am System. So fordern beide Seiten einhellig einen schnellen und kompromisslosen Bürokratieabbau oder eine schnellere Digitalisierung. Damit die Pflegekräfte mehr Zeit am Menschen verbringen können. Das wichtigste Thema ist aber der Fachkräftemangel. Dieser stellt Pflegeeinrichtungen, Einrichtungen der Behindertenhilfe und Krankenhäuser vor große Herausforderungen. Der demografische Wandel wird die Situation noch verschärfen. Auf allen Ebenen wird versucht, mehr Menschen für die jeweiligen Berufe zu begeistern. Es wird über gesundheitspolitische Initiativen zur Personalgewinnung gesprochen und mitgewirkt, es wird sich mit Personaluntergrenzen und ähnlichen Regelungen beschäftigt. Von wachsender Bedeutung ist die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Diese müssen, genau wie die generelle Zuwanderung von Fachkräften, noch weiter entbürokratisiert werden.


„Dieser Aktionstag der Krankenhäuser ist ein guter Anlass um laut und deutlich die vielen Problematiken im gesamten sozialen Bereich zu nennen. Die Regierung hat erste Ansätze geliefert, doch diese reichen nicht aus, um mit der aktuellen Situation, geschweige denn mit den zukünftigen Herausforderungen umgehen zu können. Strukturelle Probleme verlangen strukturelle Lösungen. Da müssen vor allem die Minister Lauterbach und Lindner sich den Realitäten stellen und liefern. Wir können alle diese Themen, und es gibt noch mehr als ich hier genannt habe, nicht weiter vor uns herschieben“, bringt es Vorständin Andrea Thiele erneut auf den Punkt.

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