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29.02.2008
Altenhilfe

Mit dem Computer sprechen gelernt

Mit der psychologischen Beratung und der persönlichen Zukunftsplanung von Menschen mit Behinderungen haben sich Experten bei einer Tagung der Heggbacher Einrichtungen im Service-Haus in Biberach befasst. Ein 21-Jähriger berichtete dabei per Sprachcomputer über seine Situation.

Mit kurzer Verzögerung kommen die Sätze aus dem Lautsprecher, aber dann sind sie laut und deutlich zu vernehmen: „Ich wollte immer Vorträge halten, und bin froh, dass das so gut klappt.“ Der 21-jährige Jens Ehler aus Sinsheim hat am Dienstag bei einer Fachtagung der Heggbacher Einrichtungen in Biberach ein Referat gehalten, das erstaunte.

Denn Ehler ist durch eine schwere Mehrfach-Behinderung und das Fehlen der Lautsprache auf einen Sprachcomputer angewiesen – er wählt Symbole aus, der Computer setzt dies in Sprache um. Ehler hat seit 2001 mit dem Sprachcomputer trainiert. "Lerne mir sprechen", war immer seine Bitte an seine Mutter. Ulrike Ehler sagt heute: „Es ist für uns eine Art Wunder, dass Jens sich jetzt so mitteilen kann.“ Mittlerweile schreibt Ehler auch selbstständig Briefe mit dem Computer, in dem er beispielsweise klar seine Wünsche äußert. Ehler berichtete bei der Fachtagung über die „Zukunftskonferenz“, die er in den vergangenen Jahren zwei Mal abgehalten hat. Dazu hat er Bekannte, Freunde und Familienangehörige eingeladen, die mit ihm gemeinsam über seinen weiteren Werdegang nachdachten. Sogar ein Flug ins All wurde dabei vorgeschlagen – aber auch Handfestes wie eine Karriere als Referent. „Daran habe ich mich dann gehalten, und bin froh, dem Ratschlag meiner Freunde gefolgt zu sein“, kommen Ehlers Sätze aus dem Sprachcomputer. Bereits am Vormittag hatten Ines Boban und Andreas Hinz von der Martin-Luther-Universität Halle über die persönliche Zukunftskonferenz als Mittel der individuellen Zukunftsplanung berichtet. Neue Tätigkeits- und Wirkungsfelder erschlössen sich dem Einzelnen durch eine solche Konferenz, sagen die beiden Wissenschaftler – vor allem die Beiträge Gleichaltriger seien bedeutsam. Konkrete Utopien und pragmatische Schritte für den Menschen mit Behinderung könnten dadurch verbunden werden.

„Hilfeplanung im Landkreis Biberach“ lautete ein weiterer Vortrag beim Fachtag der Heggbacher Einrichtungen. Frank Gmeinder vom Kreissozialamt Biberach berichtete davon, dass die individuelle Hilfeplanung im Landkreis gelungen sei. Es gebe eine gute Zusammenarbeit mit den Einrichtungen und Diensten, die Akzeptanz bei den Betroffenen und ihren Angehörigen sei hoch. Allerdings gebe es Bedarf an flexiblen ambulanten Angebotsstrukturen für Personen mit erhöhtem Hilfebedarf, sagte Gmeinder. Auch die Nachfrage für Angebote mit einem fließenden Übergang zwischen ambulanter und stationärer Versorgung sei vorhanden.

Carmen Genal von den Heggbacher Einrichtungen stellte den Fachleuten hierzu das Modellprojekt „Wohnen in der Gemeinde“ vor. Menschen mit Behinderungen wird durch dieses Projekt ein selbstständiges Leben in den eigenen vier Wänden durch ergänzende, individuell abgestimmte Hilfen ermöglicht. Dieses selbstständige Leben in einer Gemeinde biete eine Steigerung der Lebensqualität für die Menschen mit Behinderungen, eine Erweiterung der sozialen Kontakte und ermögliche mehr Selbstbestimmung, sagte Genal.

Zuletzt sprach beim Fachtag der Heggbacher Einrichtungen Gerd Gansen vom Berliner Krisendienst. Er berichtete über die „Ambulante Krisenintervention bei Menschen mit geistiger Behinderung“. Menschen mit geistigen Behinderungen könnten dieselben Krisen erleiden wie andere Menschen auch, sagte Gansen. Eine Besonderheit bei den Krisen von Menschen mit Behinderungen seien die höheren Abhängigkeitsverhältnisse zu anderen Menschen, die es zu berücksichtigen gelte. „Viele Menschen mit geistigen Behinderungen können außerdem ihre Krise nur durch ihr Verhalten anzeigen“, sagte Gansen. Das müsse beachtet werden – so könne ein Mensch mit einer geistigen Behinderung, der an körperlichen Schmerzen leide, dies unter Umständen nicht mit Worten ausdrücken.

Matthias Ernst informierte die Fachleute außerdem über die psychologische Beratung im Service-Haus Biberach der Heggbacher Einrichtungen. Menschen mit geistiger Behinderung erhalten dort Beratung bei Fragen der Lebensplanung, Unterstützung bei Konflikten und Problemen in den Bereichen Partnerschaft, Familie, Wohnen und Arbeit sowie Hilfe in akuten Krisensituationen. Das Servicehaus biete auch eine Nachsorge nach stationärer oder ambulanter Therapie und bei Bedarf eine Vermittlung weiterführender Hilfs- und Therapieangebote, so Ernst.

 

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