Schließen Menü
03.02.2011
Wohnen und Begleiten Ingerkingen

„Aufstehen für das Leben“

Kinder und Jugendliche aus dem Bereich Wohnen und Begleiten Ingerkingen und der Schule St. Franziskus haben am 27. Januar zusammen mit Betreuern, Lehrern, Angehörigen und Vertretern der Gemeinde der Ingerkinger Euthanasie-Opfer im Dritten Reich gedacht. Teil der Gedenkfeier im Haus Raphael war die szenische Lesung „Das kurze Leben der Käthe Krämer“ vom „Heggbacher Spielkistle“. Die Erinnerung an die 72 von den Nationalsozialisten in Grafeneck ermordeten Mädchen und Jungen mit Behinderung steht am Beginn des 100jährigen Jubiläums der Wohn- und Förderangebote für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen in Ingerkingen.

Wilhelm Riemann, Leiter Wohnen und Begleiten Ingerkingen, betonte in seiner Ansprache, dass ein Jubiläum nicht nur Sonnenseiten aufweist, sondern auch „Zeiten des Leids zutage fördert“. So auch das Gedenken an die Opfer der Euthanasie. „Die Gedenkfeier ist für uns alle eine gute Möglichkeit, solch eine `Spur der Erinnerung´ an eine der Schattenseiten der Geschichte zu bewahren“, sagte Riemann vor den rund 150 Zuhörern, unter denen auch Ingerkingens Orstvorsteher Paul Haid, Josef Steiner, Kooperationslehrer der Realschule Munderkingen, und Wolfgang Kirschner, Leiter der Mühlbachschule Schemmerhofen, waren. „Für uns war es eine ganz bewusste Entscheidung, diese Veranstaltung an den Anfang des Jubiläumsjahres 2011 zu setzen.“

Im Herbst 1940 wurden insgesamt 72 Kinder und Jugendliche aus dem damaligen Kinderasyl Ingerkingen abgeholt. Am 11. September 1940 traf es 33 Buben, am 1. Oktober 1940 22 Mädchen und am 30. Oktober noch einmal 17 Buben und Mädchen. Sie wurden in ursprünglich roten Postbussen, die grau umlackiert worden waren, um weniger aufzufallen, nach Grafeneck bei Münsingen gebracht und dort als „lebensunwertes Leben“ vergast. Eines dieser Opfer war Käthe Krämer, die bis zu ihrem 14. Lebensjahr in Ingerkingen und Heggbach gelebt hatte.

Ein Teil der Gedenkfeier war die szenische Lesung „Das kurze Leben der Käthe Krämer“ des Heggbachers Spielkistle, eine Theatergruppe aus Menschen mit Behinderung. Sie erzählten vom Schicksal des jungen Mädchens, das aufgrund seiner jüdischen Abstammung und seiner Behinderung unter dem Terrorregime der Nationalsozialisten ermordet wurde.

Schwester Mirjam Engst, pastoraler Dienst des Heggbacher Wohnverbunds, ergänzte die Lesung mit einem spirituellen Impuls. „Für uns Christen gibt es keine Unterschiede zwischen lebenswertem und lebensunwertem Leben, sondern nur eine Option: Aufstehen für das Leben“, betonte sie.

An die Verantwortung der heutigen Generationen erinnerte Bernhard Buck, Leiter der Schule St. Franziskus: „Die Kinder von Grafeneck können wir nicht mehr lebendig machen – aber wir können die Erinnerung an sie wach halten.“

Das Jahr 2011 ist für den Geschäftsbereich Kinder-Jugend-Familie der St. Elisabeth-Stiftung ein besonderes Jahr – gefeiert werden 100 Jahre Wohn- und Förderangebote für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen in Ingerkingen. Über das ganze Jahr hinweg sollen verschiedene Veranstaltungen zum diesjährigen Jubiläum beitragen.

 

Link kopieren